Verhandlungen in Nahost Torpediert Netanyahu ein Geiselabkommen?
In die Verhandlungen über eine Feuerpause in Gaza und die Freilassung der Geiseln kam zuletzt Bewegung. Doch nun stellt Israels Premier Netanyahu nochmals Bedingungen. Kritiker zweifeln, ob er überhaupt einen Deal will.
Bar Pakula schreit in ein Megafon. Der Psychologie-Student steht auf einer Kreuzung in Tel Aviv und blockiert mit seinen Freunden den Verkehr. Sie setzen sich für die Geiseln in Gaza ein - und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. "Sie sollten zurücktreten. Wir lassen nicht zu, dass sie ein weiteres Abkommen sabotieren."
Nie waren die Hoffnungen so groß, dass es zu einer neuen Vereinbarung kommt, über eine Feuerpause und eine Freilassung der Geiseln in mehreren Stufen. Denn die Hamas hat ihre Bedingung fallen lassen, dass Israel zuvor alle Angriffe in Gaza einstellen muss.
Über die Einzelheiten soll in den nächsten Tagen weiter verhandelt werden. Doch kurz davor hat Netanyahu nochmal einige Bedingungen genannt. So dürften bewaffnete Kämpfer nicht zurück in den Norden Gazas. Und der Waffenschmuggel aus Ägypten müsste gestoppt werden.
Inhaltlich sind das keine völlig neuen Forderungen. Doch der Zeitpunkt sorgt für Verwunderung - zum Beispiel beim früheren Armee-General Israel Ziv.
"Es wird ziemlich deutlich, dass Netanyahu alles tut, um ein Abkommen zu verhindern. Wer an einem Abkommen interessiert ist, veröffentlicht nicht in den Medien seine Bedingungen oder macht neue Bedingungen öffentlich", sagt Ziv. "Für so etwas gibt es eine Delegation, die Bedingungen innerhalb der Verhandlungen einbringen kann."
Verhandelt wird über einen Stufenplan
Der Ex-Militär bezweifelt im israelischen Radio, dass sich Netanyahu wirklich verpflichtet fühlt, die verbliebenen etwa 120 Geiseln nach Hause zurückzuholen. Viele von ihnen sollen tot sein.
Verhandelt wird in den nächsten Tagen weiter über einen Stufenplan. In einer ersten Stufe würde die Hamas zuerst Frauen, ältere und kranke Geiseln freilassen. Im Gegenzug müsste Israel eine noch ungewisse Zahl an palästinensischen Gefangenen aus seinen Gefängnissen entlassen.
"Kollektiver Suizid, den wir nicht begehen dürfen"
Das wollen Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner unbedingt verhindern. Finanzminister Bezalel Smotrich nennt so ein Abkommen im israelischen Fernsehen "kollektiven Selbstmord".
Den Krieg in einer Situation zu stoppen, "in der die Hamas am Leben ist, um sich schlägt und aufrüstet, oder hunderte Terroristen, die wegen Mordes inhaftiert sind, freigelassen werden, die dann wieder Juden ermorden können", sagt Smotrich, "stellt einen kollektiven Suizid dar, den wir nicht begehen dürfen."
Netanyahus Regierungspartner drohen praktisch täglich damit, die Koalition platzen zu lassen - sollte es zu einem Abkommen mit der Hamas kommen, das ein Ende des Kriegs beinhaltet.
Netanyahu will nach eigener Aussage ein Teilabkommen
Ein Ende des Kriegs wäre dann womöglich ein Ende der Regierung Netanyahu. Deshalb macht der Ministerpräsident immer wieder klar, dass Israel erst seine Kriegsziele erreichen müsse.
So wie vor zwei Wochen im israelischen Fernsehen: "Ich bin nicht bereit, den Krieg zu beenden und die Hamas intakt zu lassen", erklärte Netanyahu. Er sei bereit, ein Teilabkommen einzugehen, "das uns einen Teil der Menschen zurückbringt, uns aber in der Verantwortung lässt, den Krieg nach der Pause weiterzuführen, um unser Ziel, nämlich die Zerstörung der Hamas, zu erreichen."
Auf den Straßen Tel Avivs sind aber viele bereit, den Preis zu zahlen: den Kampf gegen die Hamas jetzt zu beenden, um die Geiseln nach neun Monaten endlich nach Hause zu holen.