Justizreform in Israel Tagelanger Protestmarsch erreicht Jerusalem
Seit Monaten gibt es in Israel Proteste gegen Pläne der Regierung, die Justiz umzubauen. Ein Kernelement der Reform soll am Montag beschlossen werden. Ein tagelanger Protestmarsch, dem sich 70.000 Menschen anschlossen, ist mittlerweile in Jerusalem angekommen.
Ein tagelanger Protestmarsch gegen die umstrittene Justizreform der rechts-religiösen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit Zehntausenden Menschen ist laut Organisatoren in Jerusalem eingetroffen. Mehrere Hundert Demonstrantinnen und Demonstranten hatten am Dienstagabend die rund 70 Kilometer lange Wanderung von Tel Aviv nach Jerusalem begonnen.
In den vergangenen Tagen wurde der kilometerlange Protestzug immer größer. Nach Schätzungen des israelischen Senders Channel 13 nahmen am Samstag mehr als 70.000 Menschen teil.
Übernachtung vor dem Parlament geplant
In der Nähe des Parlaments errichteten Demonstranten ein Protestcamp. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, bauten am späten Samstagabend unweit des Parlaments - der Knesset - Hunderte Menschen Zelte auf, um dort zu übernachten.
Auch in weiteren Städten Israels fanden am Abend Kundgebungen mit Tausenden Menschen statt. In Tel Aviv versammelten sich Zehntausende Demonstranten. Weitere Demonstrationen gab es in Beerscheva, Herzlija und Kfar Saba.
Justizreform spaltet das Land
Am Sonntagvormittag will Israels Regierung ein Kernelement ihrer Pläne zur Schwächung der Justiz den Abgeordneten vorlegen. Mit der endgültigen Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes wird jedoch nicht vor Montagnachmittag gerechnet.
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende dagegen auf die Straße.
Widerstand und Protest von Reservisten
Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu: Mehr als 1100 Reservisten der israelischen Luftwaffe drohten mit der Aussetzung ihres freiwilligen Dienstes, sollte das Parlament die Reform verabschieden. "Wir sind alle gemeinsam dafür verantwortlich, die tiefe Spaltung, Polarisierung und den Riss im Volk zu überwinden", erklärten 1142 Reservisten in einer Erklärung.
Sie forderten die Regierung auf, "einen breiten Konsens zu finden, das Vertrauen aller Teile des Volkes in das Justizsystem zu stärken und dessen Unabhängigkeit zu wahren".
Jede Gesetzgebung, die auf "unvernünftige Weise ausgeführt wird, würde mein Einverständnis, weiterhin mein Leben zu riskieren, aushöhlen und mich mit großem Bedauern dazu zwingen, meinen freiwilligen Reservedienst auszusetzen", erklärten die Unterzeichner, zu denen unter anderem 235 Kampfjetpiloten gehören.
Verhandlungen über einen Kompromiss zu der Justizreform blieben bisher erfolglos. Medienberichten zufolge sollen im Hintergrund aber weiter Bemühungen laufen.
Kritiker befürchten Korruption und Willkür
Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, das von Kritikern als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird. Dem Höchsten Gericht des Landes soll es so künftig nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten.
Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanyahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Ärzte: Netanyahu hat Operation gut überstanden
Am Samstagabend teilte Netanyahu mit, dass er sich noch in der Nacht einer Herz-Operation unterziehen werde. Am Morgen erklärte das Sheba-Krankenhaus in Tel Haschomer nahe Tel Aviv, sein Gesundheitszustand sei "gut". Nach Angaben der behandelnden Ärzte habe Netanyahu die Operation zum Einsetzen eines Herzschrittmachers gut überstanden. Der 73-Jährige werde nach dem Eingriff "in der kardiologischen Abteilung unter ärztlicher Aufsicht bleiben", hieß es weiter.
Vergangenes Wochenende war er überraschend ins Krankenhaus eingeliefert worden. Damals hieß es, er sei zu lange ohne Wasser und Kopfbedeckung in der Sonne gewesen. Ein anschließend angebrachtes Herzüberwachungsgerät habe nun gepiept; eine sofortige Operation sei nötig, sagte Netanyahu. Seinen Angaben zufolge soll er am Nachmittag wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden und zur Abstimmung im Parlament anwesend sein.