Verfassungsänderung Widerstand gegen Indiens Kaschmir-Pläne
Die Autonomie Kaschmirs sei aufgehoben, verkündet die indische Regierung, nachdem sie die Region faktisch abgeriegelt hat. Parlamentarier stellen sich gegen den Schritt und kündigen Protest an.
Große Aufregung im indischen Parlament: Innenminister Amit Shah erklärte, der Präsident des Landes habe zugestimmt, dass der Artikel 370 in der indischen Verfassung abgeschafft werden solle. Außerdem solle der Bundesstaat Jammu und Kaschmir neu aufgeteilt werden.
Der umstrittene Artikel hatte dem indischen Bundesstaat weitgehende Autonomie garantiert. So durften beispielsweise keine Inder aus anderen Regionen dort Land kaufen oder Posten in der lokalen Regierung übernehmen.
Viele befürchten nun, dass damit die Büchse der Pandora geöffnet wurde. Keine indische Regierung ist in den vergangenen Jahrzehnten so weit gegangen, den Status Quo der Region Kaschmir anzurühren. Einige Politiker der Opposition reagierten entsetzt.
"Damit setzen wir die indische Verfassung aufs Spiel", sagt Ghulam Nabi Azad. Der Parlamentarier kommt selbst aus Kaschmir. "Wir würden unser Leben geben für die indische Verfassung. Aber die Regierungspartei hat die indische Verfassung heute ermordet. Wir werden dagegen protestieren."
Pakistanische Kaschmir-Bewohner protestieren in der Stadt Muzaffarabad gegen den Entschluss der indischen Regierung, dem Bundesstaat seine Autonomie abzuerkennen.
Soldaten und Paramilitärs patrouillieren in Srinagar
Aus Kaschmir selbst dringen derzeit kaum Reaktionen durch. Heute Nacht wurden in Kaschmir Ausgangsperren verhängt. Lokale Journalisten sind kaum zu erreichen, sowohl das Festnetz als auch das Mobilfunknetz ist abgeschaltet.
Lokale Politiker wurden schon vor der Entscheidung unter Hausarrest gestellt. Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte einige Videos aus der Stadt Srinagar und interviewte auf einer fast menschenleeren Straße den Lehrer Washir Hussain. "Heute morgen war es noch recht ruhig hier, aber wir können kaum die Straße benutzen, alles ist abgesperrt", schildert er und sagt: "Leute werden hier mit Stöcken verprügelt."
Soldaten und paramilitärische Sicherheitskräfte, die in Kaschmir im Einsatz sind, würden hier die Schläge austeilen, sagt Hussain. Es ist bekannt, dass sie besonders harsch gegen die Bevölkerung vorgehen. Aber auch Jugendliche aus Kaschmir haben schon öfter mit Gewalt gegen die Polizei und Soldaten reagiert. In dieser Region leben vorwiegend Muslime, die meisten empfinden Indien als Besatzungsmacht.
Der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi sagte, die Plänen zur Änderung der indischen Verfassung verletzten eine UN-Resolution. "Indien spielt ein hochgefährliches Spiel, indem es den Status Quo Kaschmirs durch illegale Schritte verändert", sagte er. Pakistan wolle seine diplomatischen Anstrengungen ausweiten, um zu verhindern, dass die Neuregelung in Kraft trete.
Am stärksten hochgerüstete Region der Welt
Schon seit Tagen vermuteten die indischen Medien und die Menschen in Kaschmir, dass die indische Regierung dort drastische Maßnahmen vornehmen werde. Touristen wurden aufgefordert, die Region zu verlassen. Zehntausende Soldaten waren zusätzlich in die Region gebracht worden, dabei sind ohnehin schon schätzungsweise 500.000 Soldaten dort stationiert.
Seit der Gründung der beiden Staaten Pakistan und Indien im Jahr 1947 hatte der Bundesstaat Jammu und Kaschmir im indischen Teil Sonderrechte. Vielen Menschen in Kaschmir reichen diese nicht aus: Sie wollen ganz unabhängig sein. Aber weder Indien noch Pakistan wollen die Region aufgeben, schon drei Kriege haben die beiden Länder deswegen geführt.
Die Region Kaschmir liegt im Norden von Indien und im Osten von Pakistan und ist das am stärksten militarisierte Friedensgebiet auf der ganzen Welt. Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan werden sich nun wieder steigern.