Premier Modi in Deutschland Indien zwischen den Stühlen
Der indische Premier Modi hat vor seinem Berlin-Besuch die Beziehungen beider Länder als besonders hervorgehoben. Doch beim Thema Ukraine-Krieg passt aktuell mehr als ein Blatt Papier zwischen Deutschland und Indien.
Der indische Premieminister Narendra Modi will den Frieden, die Waffen sollen umgehend schweigen. Daran hat er in den vergangenen Wochen nicht den Hauch eines Zweifels gelassen: "Uns ist wichtig, dass es zu einem sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine kommt. Es geht um den Einsatz von Dialog und Diplomatie zur Lösung von Problemen." Das sagte Modi schon vor gut einer Woche beim Besuch des britischen Premiers Boris Johnson in Neu-Delhi.
Keine Verurteilung des russischen Krieges
Friedensappelle ja, aber keine Verurteilung von Russland. Das ist auch nicht zu erwarten, wenn sich Modi und Mitglieder seines Kabinetts mit der Bundesregierung unter Kanzler Scholz treffen - zu den 6. deutsch-indischen Regierungskonsultationen. Solche gemeinsamen Beratungen sind üblicherweise ein Ausdruck einer intensiven Partnerschaft - mit Neu-Delhi gibt es sie seit 2011. Diesmal aber finden sie in einer besonders schwierigen Zeit statt - vor allem, weil zwischen Indien und Deutschland in Sachen Ukraine-Krieg mehr als ein Blatt Papier passt.
Die größte Demokratie der Welt hat sich bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung enthalten, als es um die Verurteilung des russischen Angriffskrieges ging. Die indische Politikwissenschaftlerin Amrita Narlikar, Präsidentin des Hamburger GIGA-Institutes, sieht das kritisch: "Es ist diplomatisch riskant, weil Indien sich damit wieder im Lager Chinas befindet, nachdem es wiederholt erklärt hat, dass es nicht mit China in Verbindung gebracht werden will und nachdem es auf sein demokratisches Fundament hingewiesen hat und die gänzlich anderen Werte im Hinblick auf China. Und dafür hat es ja auch Anerkennung bekommen."
Öl: Dumping-Angebot aus Moskau
Hinzu kommt: Indien hat trotz der umfangreichen internationalen Sanktionen gegen Russland angekündigt, billig russisches Öl kaufen zu wollen - ein Dumping-Angebot aus Moskau sozusagen inmitten der internationalen Isolation. Dafür gab es Verwunderung und Kritik bei westlichen Partnern.
Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar rechtfertigte den Kauf jedoch jüngst bei einem Besuch in Washington: "Wenn Sie sich mit den Energiekäufen aus Russland befassen, würde ich vorschlagen, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Europa richten sollten. Ich vermute, wenn ich mir die Zahlen ansehe, dass unsere Gesamtkäufe für einen Monat wahrscheinlich geringer sind als das, was Europa an einem Nachmittag kauft."
"Indien stärkt auch China"
Indien hat seit den sowjetischen Zeiten schon traditionell enge Bindungen an Russland. Bei Rüstungsgütern sei der Subkontinent sogar weitgehend abhängig von Moskau, so Narlikar: "Indiens militärische Abhängigkeit von Russland hat eine tragische Ironie. Durch sein Zögern, Russland wegen der Ukraine zu kritisieren, stärkt Indien auch das autoritäre China, mit dem Russland inzwischen eine unbegrenzte Partnerschaft eingegangen ist. Das ist geopolitisch ein riskantes Spiel für Indien."
Die Themenliste ist lang bei den Konsultationen: Handel, Verteidigungszusammenarbeit, grüne Technologie, digitaler Wandel sind nur einige der wichtigen Punkte. Und dennoch geht es von indischer Seite vor allem auch darum, zuletzt erschüttertes Vertrauen wiederherzustellen.
Narlikar: Kein Keil zwischen Deutschland und Indien treiben
Der chaotische Abzug aus Afghanistan wird in Indien als fundamentales Politikversagen der USA und des Westens allgemein gesehen. Und dass Deutschland radikale Sanktionen einfordert, gleichzeitig aber weiterhin Gas aus Russland bezieht, das bringt man in Indien auf eine einfache Formel: "Du folgst meinen Werten, während ich meine Interessen verfolge."
Gerade deshalb sei es so wichtig, so Narlikar, dass der Ukraine-Konflikt keinen Keil zwischen Deutschland und Indien treibe: "Nur wenn Indien als Alternative verlässliche Partner hat, denen es sich zuwenden kann, nicht Russland, nicht China, dann kann es international auch für die Prinzipien der Demokratie und des Liberalismus einstehen."
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ganz unwichtig, ob Deutschland als G7-Präsidentschaft Indien als Partnerland zum G7-Gipfel Ende Juni einladen wird. Zuletzt hatte es in Berlin geheißen, es gebe noch keine Entscheidung über die Einladung an Partnerländer.