Krieg in Nahost Israel und Hamas verlängern offenbar Feuerpause
Israel und die Hamas haben sich offenbar geeinigt: Die Feuerpause soll um zwei Tage verlängert werden, bestätigten unter anderem Katar und die USA. Teil der Vereinbarung ist die Freilassung von 20 Geiseln und 60 palästinensischen Häftlingen.
Wenige Stunden vor Ablauf der zunächst auf vier Tage angelegten Feuerpause haben sich Israel und die militant-islamistische Hamas offenbar auf eine Verlängerung geeinigt. Die seit Freitagmorgen geltende Feuerpause werde um zwei Tage verlängert, teilte Madschid al-Ansari, Sprecher des katarischen Außenministeriums, mit. Damit dürfte sie bis Donnerstagfrüh andauern. Ein Mitarbeiter des Weißen Hauses bestätigte die Verlängerung ebenfalls, allerdings ohne weitere Details zu nennen.
Auch die Hamas sprach von einer Verlängerung. Für die zwei weiteren Tage sollen laut der Terrororganisation die bereits vereinbarten Bedingungen gelten. Auch israelische Medien berichten über die Einigung, eine offizielle Bestätigung der Regierung stehe aber noch aus, weil man die Übergabe der Geiseln heute abwarten wollen, heißt es.
Laut dem ägyptischen Staatsinformationsdienst soll die verlängerte Waffenpause auch die tägliche Freilassung von zehn im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln im Austausch gegen 30 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen umfassen. Zusätzlich solle die Einfuhr von medizinischen Hilfsgütern, Nahrungsmitteln und Treibstoff in den Gazastreifen fortgesetzt werden.
Katar und Ägypten hatten vermittelt
Die Hamas hatte nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters eine Verlängerung um weitere vier Tage angestrebt. Israel hat dagegen erklärt, die Waffenruhe täglich verlängern zu wollen, wenn dafür im Gegenzug zehn Geiseln am Tag freigelassen würden. Israel wollte in diesem Fall jeweils drei Mal so viele palästinensische Häftlinge entlassen.
Katar, das zusammen mit Ägypten in dem Krieg vermittelt, hatte sich schon vorher optimistisch zur einer mögliche Verlängerung geäußert. "Wir haben jetzt die Formel", sagte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Al-Ansari, der Nachrichetnagentur dpa. Ein zweiter Deal wie die jetzt angekündigte Verlängerung werde nun "leichter über die Bühne zu bringen" sein. Es sei aber wohl noch zu früh, um darüber hinaus über einen langfristigen Waffenstillstand zu verhandeln, sagte Al-Ansari.
Baerbock: Feuerpause als Brücke für dauerhafte Lösung
UN-Generalsekretär António Guterres sagte, die Verlängerung sei ein "Schimmer der Hoffnung und der Menschlichkeit". Die Vereinten Nationen hoffen, dadurch die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen weiter ausbauen zu können. Der Generalsekretär regte zudem an, weitere Grenzübergänge zu öffnen. Dies würde es auch für Israel einfacher machen, die Lieferungen zu kontrollieren. Gegenwärtig ist nur ein Grenzübergang zu Ägypten geöffnet.
"Die humanitäre Katastrophe in Gaza wird jeden Tag schlimmer", teilte Guterres mit. Er forderte einen "kompletten humanitären Waffenstillstand". Zudem müssten alle restlichen Geiseln ebenfalls freigelassen werden. Auch Saudi-Arabien und Jordanien forderten einen Waffenstillstand.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mahnte, die derzeitige Feuerpause solle als Brücke zu einem politischen Prozess für eine dauerhafte Lösung des Konflikts genutzt werden.
In Washington begrüßte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, die Verlängerung der Waffenruhe. Die US-Regierung hoffe auf eine weitere Verlängerung. Doch dies hänge davon ab, ob die Hamas weitere Geiseln freilasse, sagte Kirby.
Offenbar Unstimmigkeiten über Namensliste
Israel und die Hamas hatten sich am 22. November auf eine viertägige Feuerpause geeinigt. Teil dieses ersten Deals ist ein Austausch von bis zu 100 Geiseln gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge.
Heute sollen nach ägyptischen Angaben voraussichtlich elf Geiseln freikommen. Bis zuletzt hatte es nach Informationen von ARD-Korrespondentin Bettina Meier Unstimmigkeiten über die Namen auf der Liste gegeben. So sollen unter den elf Geiseln ältere Frauen und Kinder gewesen sein. Die Mütter einiger Kinder hätten aber gefehlt. Dies verletze eine Vereinbarung, die Israel und die Hamas getroffen haben. Familien dürften demnach nicht getrennt werden. Das Büro von Premierminister Netanyahu bestätigte, dass über die Liste weiterverhandelt worden sei. Das Militär informierte am Nachmittag die betroffenen Angehörigen.
Im Gegenzug zur Freilassung der Geiseln sollen laut dem ägyptische Staatsinformationsdienst (SIS) 33 palästinensischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Bislang kamen seit Beginn der Vereinbarung 58 Geiseln und 117 Häftlinge frei.
Humanitäre Lage in Gaza weiterhin dramatisch
Eine Verlängerung der Feuerpause bedeutet auch für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen eine Erleichterung. Im Rahmen des Abkommens traf bereits eine höhere Zahl an Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen ein als vor dem Abkommen. Die humanitäre Lage ist Hilfsorganisationen zufolge aber weiterhin dramatisch.
Die Lieferungen decken nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA nur einen minimalen Bedarf. Die Lebensmittelversorgung gestalte sich weiterhin schwierig. Vielen Menschen fehle es noch immer an Nahrung und Brennstoff zum Kochen. Insbesondere der Norden des Gazastreifen sei betroffen. Zuletzt trafen am Sonntag laut dem UN-Nothilfebüro unter anderem 1.062 Tonnen verzehrfertige Lebensmittel an vier Unterkünften des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) ein. Außerdem seien weitere Zelte, Decken, Trinkwasser und medizinische Hilfslieferungen geliefert worden, hieß es in einer Mitteilung.
UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Lage in Gaza
Bislang wurden 1,7 Millionen Menschen innerhalb des Küstengebiets vertrieben. Israels Armee hat angekündigt, ihre Angriffe nach der Feuerpause für mindestens zwei weitere Monate fortsetzen zu wollen. Die Soldaten sollen sich für die kommenden Kämpfe vorbereiten.
Angesichts der prekären Lage will sich der UN-Sicherheitsrat in dieser Woche noch mindestens zweimal mit dem Gaza-Krieg befassen. Zunächst will sich das Gremium heute Abend auf Bitten Russlands dem Konflikt widmen, wie die Vereinten Nationen mitteilten. Das Treffen hinter verschlossenen Türen sollte sich mit humanitären Aspekten befassen. Für Mittwoch ist eine weitere Sitzung angesetzt, deren Vorsitz der chinesische Außenminister Wang Yi übernehmen will. China hat derzeit die monatlich rotierende Präsidentschaft des Sicherheitsrats inne. Bei dem Treffen am Mittwoch wollen sich auch der UN-Generalsekretär und der UN-Koordinator für den Friedensprozess im Nahen Osten, Tor Wennesland, äußern.
Vor rund zwei Wochen hatte das mächtigste UN-Gremium erstmals eine Resolution zu dem seit mehr als sieben Wochen andauernden Krieg verabschiedet.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv.