Blinken in Israel "Hamas blockiert Weg zu Feuerpause"
Aus Sicht von US-Außenminister Blinken hängt es von der Hamas ab, wie es im Nahost-Konflikt weitergeht. Der israelische Vorschlag für eine Feuerpause sei "sehr stark". Aber auch der Druck auf Netanyahu wächst.
Bei seinem Besuch in Israel hat US-Außenminister Anthony Blinken die Hamas dazu aufgerufen, Israels Vorschlag für eine Feuerpause zuzustimmen. "Es ist die Hamas, die den Weg zur Feuerpause blockiert", sagte er. Es liege ein "sehr starker Vorschlag auf dem Tisch", dem die Terrororganisation "zustimmen und die Sache zu Ende bringen" müsse.
Kompliziertes Verfahren
Der israelische Vorschlag sieht Medienangaben zufolge ein mehrstufiges Verfahren vor, in dem die Kämpfe im Gazastreifen vorerst für 40 Tage gestoppt werden und im Gegenzug Geiseln freikommen. Zunächst sollen Frauen, Kranke, Ältere und Verwundete freigelassen werden. Wie schon bei der ersten Waffenruhe werden auch palästinensische Häftlinge - ebenfalls in einem Stufenverfahren - aus israelischen Gefängnissen entlassen.
Die israelische Regierung will nach Aussage eines Sprechers bis heute Abend auf eine Antwort der Hamas warten. Danach werde "eine Entscheidung" getroffen, ob Israel eine Delegation zu weiteren Gesprächen nach Kairo entsenden werde.
"Antwort innerhalb sehr kurzer Zeit"
Die Verhandlungsrunde wurde von den USA, Ägypten und Katar vermittelt. Aus Verhandlungskreisen hieß es, die katarischen Vermittler erwarteten eine Antwort der Hamas in ein oder zwei Tagen. Ein hochrangiger Vertreter der Hamas gab gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, die Hamas werde "ihre Antwort innerhalb sehr kurzer Zeit klar vorlegen".
"Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erzielen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt", erklärte Blinken in Tel Aviv. "Der einzige Grund, warum dies nicht erzielt werden könnte, ist wegen der Hamas."
Gleichzeitig betonte der US-Außenminister die Notwendigkeit, sich auch auf Hilfe für die Menschen im Gazastreifen zu konzentrieren, "die im Kreuzfeuer leiden, das die Hamas verursacht hat".
Karte des Gazastreifen, graue Flächen: bebaute Flächen im Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete
"Letzte Chance" vor Rafah-Offensive?
Bei Blinkens Besuch ging es auch darum, die Hilfslieferungen nach Gaza noch einmal deutlich zu intensivieren, um die Lage der Menschen dort zu verbessern. Gleichzeitig machte der US-Politiker im Gespräch mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu abermals deutlich, dass die Vereinigten Staaten eine Offensive der israelischen Armee in Rafah ablehnen. Hierzu hätten die USA eine "klare Haltung", hieß es aus dem US-Außenamt.
Israel hat einen raschen Beginn der umstrittenen Offensive angekündigt, sollte es nicht zu einer Einigung kommen. Der nun auf dem Tisch liegende Vorschlag werde als "letzte Chance" betrachtet.
Rafah liegt im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten. Dort haben wegen des seit fast sieben Monaten anhaltenden Kriegs inzwischen bis zu 1,8 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner des Palästinensergebiets Zuflucht gesucht.
Druck auch auf Netanyahu
Die israelische Regierung vermutet dort jedoch die letzte Bastion der Hamas. Für die rechtsextremen Parteien in der israelischen Regierung ist die Militäroperation in Rafah nach bisheriger Darstellung deshalb nicht verhandelbar. Deshalb ist unklar, ob sie einer Waffenruhe überhaupt zustimmen würden.
Siedlungsministerin Orit Strock gab klar zu verstehen, was sie von dem Angebot an die Hamas hält:
Die Regierung schickt Menschen in den Krieg. Hunderttausende Soldaten haben alles hinter sich gelassen und sind für die Ziele, die die Regierung bestimmt hat, in den Kampf gezogen. Und wir werfen diese Ziele in den Müll, um jetzt 22 oder 33 Menschen zu retten? Solch eine Regierung hat kein Existenzrecht.
Zerwürfnis mit den USA?
Netanyahu weiß also, dass ein Aufschub oder sogar das Absehen von der Rafah-Offensive seine Regierung sprengen und damit sein politisches Schicksal besiegeln könnte. Deshalb machte er - auch gegenüber Blinken - mehrfach deutlich, dass er daran festhalte, ob mit oder ohne Deal.
Nach dem heutigen Treffen mit Blinken trat Netanyahu nicht vor die Presse. Beobachter werten dies als Beleg für ein tiefes Zerwürfnis mit den USA.
Mit Informationen von Julio Segador, ARD-Studio Tel Aviv