Nach Antrag der Ukraine Baltikum für NATO-Beitritt - Deutschland zögert
Estland, Lettland und Litauen haben sich für einen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine ausgesprochen. Deutschland dagegen zögert - auch aus Sorge, die Militärallianz in einen Krieg hineinzuziehen.
Die baltischen EU- und NATO-Staaten Estland, Lettland und Litauen befürworten ein beschleunigtes Verfahren für den NATO-Beitritt der Ukraine. "Die baltischen Freunde der Ukraine unterstützen voll und ganz die Aufnahme der Ukraine in die NATO so bald wie möglich", schrieben die Außenminister Urmas Reinsalu (Estland), Edgars Rinkevics (Lettland) und Gabrielius Landsbergis (Litauen) wortgleich auf Twitter.
"Der inspirierende Mut der Ukraine kann unser Bündnis nur stärken." Die baltischen Staaten gelten international als enge Verbündete der von Russland angegriffenen Ukraine. Als direkte kleine Nachbarstaaten sorgen sich viele Menschen im Baltikum vor einer russischen Aggression.
Bundesregierung reagiert verhalten
Die Bundesregierung äußerte sich dagegen zurückhaltend zu einer schnelleren Aufnahme der Ukraine in die NATO. "Wir unterstützen die Ukraine weiterhin auch mit schweren Waffen bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung, aber wir tun alles dafür, dass nicht andere Länder, dass die NATO nicht in diesen Krieg hineingezogen wird", sagte Bundesaußenminister Annalena Baerbock im Brennpunkt im Ersten.
Ähnlich äußerte sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Die Ukraine sei selbstverständlich frei darin, das Bündnis zu wählen, in dem sie sich gut aufgehoben fühle. Ein NATO-Beitritt sei aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die Frage werde nun im Kreis der 30 NATO-Staaten beraten. "Es wird da keine Alleingänge von Deutschland geben", sagte Lambrecht.
Auch die USA sind skeptisch
Auch die USA sehen einen schnellen Beitritt der Ukraine skeptisch. "Unsere Ansicht ist, dass wir der Ukraine am besten durch praktische Unterstützung vor Ort helfen können. Und dass das Verfahren in Brüssel (Anm. d. Red.: Hauptquartier der NATO) zu einer anderen Zeit aufgegriffen werden sollte", sagte der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan. Zugleich betonte er, dass alle Entscheidungen zu einer NATO-Mitgliedschaft Sache der Beitrittskandidaten und der Mitglieder der Allianz seien.
Selenskyj: "Unternehmen einen entschlossenen Schritt"
Als Reaktion auf die Unterzeichnung von Abkommen in Moskau zur Annexion von vier ukrainischen Regionen hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Antrag zur zügigen Aufnahme seines Landes in die NATO unterzeichnet. "Wir unternehmen einen entschlossenen Schritt, indem wir die Bewerbung der Ukraine um beschleunigten Beitritt zur NATO unterzeichnen", sagte Selenskyj einem Video, das nur wenige Minuten nach der Unterzeichnungszeremonie im Kreml verbreitet wurde.
Formale Bedingungen nicht erfüllt
Welche Folgen der Antrag hat, ist bisher unklar. Damit ein Land dem Militärbündnis beitreten kann, müssen alle NATO-Mitgliedsländer zustimmen. Allgemein gilt als Voraussetzung für einen NATO-Beitritt, dass der Beitrittskandidat nicht in internationale Konflikte und Streitigkeiten um Grenzverläufe verwickelt sein darf.
Die Ukraine ist am 24. Februar von Russland überfallen worden und verteidigt sich seitdem gegen den Angriffskrieg. Bereits 2014 hatte Russland die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim besetzt und wenig später annektiert.