Nahost-Krieg UN-Sicherheitsrat berät über Rafah
Israels verheerender Luftangriff in Rafah ruft den UN-Sicherheitsrat auf den Plan. Hat das Land die "rote Linie" der USA verletzt? Premier Netanyahu will trotz aller Kritik an seinen Kriegszielen festhalten.
Nach einem tödlichen israelischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager nahe der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens hat der UN-Sicherheitsrat für heute eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Sitzung zur Lage in Rafah wird laut Medienberichten wohl hinter verschlossenen Türen abgehalten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach mit Blick auf den Vorfall, der international scharfe Kritik hervorrief, von einem "tragischen Missgeschick". Im Parlament sagte er, man werde daraus lernen. Zugleich betonte er nach Angaben seines Büros jedoch: "Ich werde nicht nachgeben oder kapitulieren. Ich werde den Krieg nicht beenden, bevor wir alle unsere Ziele erreicht haben."
Die israelische Armee leitete eine Untersuchung des Vorfalls ein. Derweil berichteten Journalisten über neue Angriffe auf Rafah. Die Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats ist für den Nachmittag (Ortszeit) geplant. Beantragt wurde sie von Algerien.
Guterres verurteilt Luftangriff
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte derweil den Luftangriff, bei dem nach Angaben der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas 45 Menschen getötet wurden. Es seien "zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet" worden, die Schutz vor dem tödlichen Konflikt gesucht hätten, erklärte Guterres. Es gebe keinen sicheren Ort im Gazastreifen, fuhr er fort. "Dieser Horror muss aufhören." Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk sprach von "entsetzlichen" Bildern.
Die US-Regierung zeigte sich erschüttert über die zahlreichen toten Zivilisten. Die Bilder von dem Lager, in dem "Dutzende von unschuldigen Palästinensern" getötet worden seien, seien "niederschmetternd" und "herzzerreißend", erklärte in Washington ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Israel müsse "jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergreifen, um Zivilisten zu schützen", mahnte er. Der Sprecher teilte auch mit, dass die US-Regierung Kontakt zur israelischen Armee und anderen Partnern vor Ort aufgenommen habe, um Informationen über den Angriff einzuholen.
In Berlin äußerte sich die Bundesregierung zurückhaltend. Ob es sich dabei um ein Kriegsverbrechen handele, müssten Juristen klären, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Wenn so etwas passiert, ist das verurteilungswürdig."
Bericht: Verheerendes Feuer wohl durch Granatsplitter entstanden
Israelische Beamte hätten der verbündeten US-Regierung erklärt, sie glaubten, dass nach dem Luftangriff ein 100 Meter entfernter Treibstofftank möglicherweise durch Granatsplitter Feuer gefangen habe, zitierte der Sender "ABC News" einen US-Beamten. Dadurch habe ein Zelt Feuer gefangen, was wiederum zu dem verheerenden Brand in dem Lager geführt habe. Den USA lägen jedoch keine eindeutigen Informationen hierzu vor.
In sozialen Medien kursierten nach dem Luftangriff verstörende Videos, die zeigen, wie verkohlte Leichen aus brennenden Zelten geborgen werden. Israels Armee hatte mitgeteilt, Vorkehrungen getroffen zu haben, um das Risiko für Zivilisten zu verringern. So sei bei dem Angriff präzise Munition eingesetzt und das Gebiet aus der Luft überwacht worden.
US-Regierung will Angriff noch nicht bewerten
Unterdessen sagten zwei US-Beamte dem Nachrichtenportal "Axios", die Regierung von US-Präsident Joe Biden prüfe noch, ob der tödliche Luftangriff eine Verletzung der von Biden proklamierten "roten Linie" darstelle. Biden hatte Israel unlängst gedroht, die Lieferung einiger US-Waffen auszusetzen, sollte Israels Armee in dicht besiedelte Stadtzentren in Rafah eindringen.
Die US-Regierung lehnt eine große israelische Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt ab, hatte zuletzt jedoch erklärt, die Einsätze dort hätten bislang nicht das Ausmaß erreicht, vor dem sie gewarnt habe. Die Frage, ob das Außenministerium die Situation nach dem jüngsten Luftangriff weiterhin so bewerte, beantwortete der Sprecher am Montag nicht.