Kämpfe im Norden des Landes Flammt der syrische Bürgerkrieg wieder auf?
Dschihadisten gegen Regierungstruppen: Im Norden von Syrien kommt es zu schweren Kämpfen. Assads Truppen bekommen Hilfe von Russland. Eine wichtige Rolle könnte aber die Türkei spielen.
Es sind die schwersten Kämpfe seit Jahren zwischen Dschihadisten und Regierungstruppen in Syrien. Mehr als 200 Menschen sollen mittlerweile bei den Ausschreitungen getötet worden sein, darunter auch Zivilisten. Die islamistischen Aufständischen sind bis Aleppo vorgerückt. Die Millionenstadt im Norden Syriens war schon in den ersten Jahren des syrischen Bürgerkriegs, der 2011 begann, stark umkämpft.
Städte und Dörfer erobert
Eine wichtige Versorgungsstraße zwischen der Hauptstadt Damaskus und Aleppo soll von den islamistischen Kämpfern bereits abgeschnitten worden sein. Nach Angaben von Aktivisten gelang es den Aufständischen, rund 50 Städte und Dörfer im von der syrischen Regierung kontrollierten Norden unter ihre Gewalt zu bringen. Das erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien, die ein gutes Netzwerk vor Ort hat.
Leiter Ramy Abdel Rahman sagt: "Aus dem Westen von Aleppo fliehen aktuell viele Menschen in die östlichen Stadtviertel. Die heute von den Dschihadisten zurückeroberten Gebiete sind strategisch wichtig." Es handele sich um Städte, Dörfer und strategisch wichtige Hügel, die am westlichen und südlichen Stadtrand und Umland von Aleppo sowie an der internationalen Straße von Damaskus lägen.
Die syrischen Regierungstruppen sind unter starkem Beschuss.
Unterstützung durch Russlands Luftwaffe
Für die Menschen in Aleppo Stunden der Angst. Berichten zufolge können sie die Stadt nicht mehr verlassen und befinden sich nun teilweise in der Hand von Dschihadisten.
Ein syrischer Sicherheitsbeamter sagte, die syrische Armee habe Verstärkung nach Aleppo geschickt. Unterstützung erhalten die Regierungstruppen von der russischen Luftwaffe. Sie fliegt Angriffe auf die Islamisten. Der Kreml forderte die syrischen Behörden auf, die Ordnung in der Region wiederherzustellen.
Hisbollah fällt als Unterstützung aus
Russland ist ein enger Verbündeter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Dieser hält sich in Syrien trotz des jahrelangen Bürgerkriegs an der Macht. Assad hat den größten Teil Syriens gewaltsam wieder unter seine Kontrolle gebracht. Neben Russland hat auch der Iran und die libanesische Hisbollah Assad unterstützt. Die Hisbollah ist aber aktuell durch den Krieg im Libanon stark geschwächt.
Der oppositionelle syrische Militärbeobachter Ahmed Al Hammadi aus Istanbul sagt: "Die iranischen Milizen sind eine wertlose Unterstützung geworden. Der Widerstand gegen diese von Iran unterstützten Milizen ist eine Gelegenheit, die genutzt wurde." Die bewaffneten syrischen Oppositionsgruppen hätten den Moment abgepasst, um in diese Schlacht einzutreten.
Türkei könnte eine Rolle spielen
Strippenzieher dahinter könnte die Türkei sein, mutmaßen Beobachter. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte mehrfach versucht, mit Assad über eine Rückführung der vielen syrischen Flüchtlinge zu verhandeln, die in der Türkei leben und dort als große Belastung empfunden werden. Doch Assad forderte als ersten Schritt einen Rückzug der Türkei aus Nordsyrien.
Die Region wird von Kurden und teilweise von der Türkei kontrolliert. Eine Antwort, die Erdogan offenbar verärgerte. Ankara soll Beziehungen zu den Dschihadisten unterhalten. Ist deren Offensive eine Art Rache der Türkei?
Viele regionale Interessen und Akteure machen Syrien zu einem Spielball der Mächte - und das auf Kosten der Zivilisten. Nicht nur die Menschen in Aleppo haben Angst. In Nordsyrien leben Hunderttausende vertriebene Familien unter teilweise katastrophalen humanitären Bedingungen. Jetzt fürchten viele ein Aufflammen des syrischen Bürgerkriegs.