Li-Rede bei Shangri-La-Dialog China droht Taiwan auf offener Bühne
Beim Shangri-La-Dialog setzt China den Ton: In seiner Rede warnte Verteidigungsminister Li ungewöhnlich deutlich vor einer Einmischung aus dem Ausland. Taiwan drohte er unverhohlen mit Krieg. Die Sorge vor einer Eskalation wächst.
Die Rede des chinesischen Verteidigungsministers Li Shangfu beim Shangri-La-Forum in Singapur war mit Spannung erwartet worden. Denn chinesische Verteidigungspolitiker äußern sich außerhalb der Volksrepublik so gut wie nie öffentlich.
Die Erwartungen wurden nach Ansicht der meisten Beobachter nicht enttäuscht, wenn auch auf eine Art und Weise, die bei vielen Zuhörern nicht gerade Freude auslöste. Beispiel Taiwan: General Li drohte der demokratisch regierten Inselrepublik auf offener Bühne erneut mit Krieg. Chinas Militär werde im Zweifelsfall nicht eine Sekunde zögern.
Je mehr die "abspalterischen Aktivitäten" in Taiwan zunähmen, desto entschlossener werde Chinas Führung Gegenmaßnahmen ergreifen, betonte der Verteidigungsminister. Jede ausländische Einmischung in dieser Angelegenheit sei zum Scheitern verurteilt.
USA wollen China laut Li kleinhalten
Chinas Staats- und Parteiführung betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik, die Insel ist aber seit 1949 de facto unabhängig und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer selbstbewussten liberalen Demokratie mit eigener Identität entwickelt.
Chinas Verteidigungsminister warf den USA in Singapur erneut vor, sich übermäßig in die Belange im Asien-Pazifik-Raum einzumischen. Die US-Regierung wolle China kleinhalten und den Aufstieg seines Landes verhindern, sagte Li.
"In den vergangenen Jahren haben sich die Beziehungen zwischen China und den USA so sehr verschlechtert wie nie seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen", so der chinesische Verteidigungsminister. Und mit Blick auf die US-Regierung sagte er ans Publikum gerichtet: "Ich glaube, Sie alle kennen die Ursache für diese schwierige Situation!" Eine Schuldzuweisung, die von Vertretern demokratisch regierter Staaten, die beim Shangri-La-Forum in Singapur dabei waren, weitgehend nicht geteilt wird.
Bütikofer: Klares Signal an die USA
"Ich habe diese Rede als besonders aggressiv wahrgenommen", sagte Reinhard Bütikofer, China-Experte der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. "Ich würde so weit gehen und sagen: Mich hat sie erinnert an die berühmte Rede von Präsident Wladimir Putin bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2007."
In der Vergangenheit hätten die Chinesen nicht unbedingt infrage gestellt, dass die Amerikaner ein Land des Indopazifiks sind. "Nun hat Li aber gesagt: 'In unserer Region habt ihr nichts zu suchen.'"
Besorgnis über die kommenden Monate und Jahre
Mit Boris Pistorius war erstmals seit einigen Jahren auch wieder ein deutscher Verteidigungsminister zu der Sicherheitskonferenz gereist. Eine Reise in eine Region, in der es zunehmend gefährlicher werde, sagte Pistorius sinngemäß. "Alle Signale, die ich hier wahrnehme, sind welche von Besorgnis", sagte der SPD-Politiker. "Geleitet werden sie von der Frage: Wie entwickelt sich das in den kommenden Monaten und Jahren?"
Der deutsche Verteidigungsminister traf sich in Singapur mit seinem chinesischen Ministerkollegen zu einem bilateralen Gespräch. Statt der ursprünglich geplanten 30 Minuten habe das Gespräch mehr als eine Stunde lang gedauert, sagte Pistorius nach dem Treffen.
Pistorius berichtet von offenem Gespräch
Es sei ein offenes Gespräch gewesen, bei dem klare Worte gefallen seien, sagte Pistorius im Anschluss. Indirekt kritisierte er die Weigerung des chinesischen Verteidigungsministers, sich mit seinem ebenfalls in Singapur anwesenden US-Kollegen Lloyd Austin zu treffen. "Es gibt keinen Ersatz für vernünftige Kommunikation miteinander", erklärte Pistorius. "Und das gilt auch für die Chinesen."
In einer solchen Situation, die in den vergangenen 15 Monaten deutlich kritischer geworden sei, komme es mehr denn je darauf an, durch regelmäßigen Austausch und Transparenz in wichtigen Fragen das Risiko zu reduzieren, dass es zu Missverständnissen und einer Eskalation komme.
Die Bundesmarine werde auch nächstes Jahr wieder zwei ihrer Schiffe in den Indopazifik entsenden, kündigte der Bundesverteidigungsminister in Singapur an. Und von den Partnerstaaten in der Region werde das sehr geschätzt, so Pistorius.