Lai Gewinner der Wahl Taiwan wählt China-Kritiker zum Präsidenten
In Taiwan bleibt das Präsidentenamt in der Hand der DPP, die für eine Unabhängigkeit von China steht: Wahlsieger ist der bisherige Vizepräsident Lai. Aus Peking hieß es, an der "unausweichlichen Wiedervereinigung" ändere dies nichts.
Es ist nicht das Ergebnis, das sich die chinesische Führung in Peking gewünscht haben dürfte: Die Menschen in Taiwan haben Lai Ching-te zum neuen Präsidenten gewählt, dessen Demokratische Fortschrittspartei (DPP) für eine Unabhängigkeit Taiwans von China steht. Bei der Präsidentschaftswahl in dem ostasiatischen Inselstaat errang Lai rund 40 Prozent der Stimmen. Er war bisher Stellvertreter von Präsidentin Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten durfte.
Taiwan entschied sich damit für den Status quo, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zum mächtigen Nachbarn China. Bei der parallel abgehaltenen Parlamentswahl verlor die DPP jedoch ihre absolute Mehrheit, was die künftige Regierungsarbeit erschweren dürfte.
"Wir sagen der internationalen Gemeinschaft, dass wir zwischen Demokratie und Autoritarismus auf der Seite der Demokratie stehen", erklärte Lai am Abend. Das angespannte Verhältnis zu China war ein bestimmendes Wahlkampfthema in dem Land mit mehr als 23 Millionen Einwohnern.
Der Streit um Taiwans Status geht auf den chinesischen Bürgerkrieg zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten unter Mao Tsetung nach Taiwan flüchteten. In Peking wurde 1949 die kommunistische Volksrepublik gegründet, während sich Taiwan als "Republik China" seit den 1990er Jahren zu einer freiheitlichen Demokratie entwickelte.
Peking sieht die Insel jedoch als sein eigenes Territorium an. Mit seiner Ein-China-Doktrin fordert Peking, dass kein Land diplomatische und andere offizielle Beziehungen zu der Inselrepublik unterhalten darf, wenn es ein normales Verhältnis mit der Volksrepublik pflegen will.
"Globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwanstraße ab"
Lai rief China noch am Abend dazu auf, den Frieden in der Meerenge zwischen beiden Staaten zu wahren. "Ein globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwanstraße ab", sagte er. Zugleich zeigte er sich für Zusammenarbeit mit China bereit.
Auch Lais Kontrahenten hatten sich für Austausch mit Peking stark gemacht. Für Hou Yu-ih von der chinafreundlichen und konservativen Kuomintang (KMT) und Ko Wen-je von der populistischen Taiwanischen Volkspartei (TPP) stimmten jedoch nur 33,49 Prozent beziehungsweise 26,46 Prozent der Wähler.
Hashtag "Taiwan Wahl" in China blockiert
China sieht nach dem Sieg Lais nach offiziellen Angaben keinen Grund für einen Kurswechsel. Diese Wahl könne den generellen Trend hin zu einer "unausweichlichen Wiedervereinigung" mit dem Festland nicht ändern, teilte der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Chen Binhua, in Peking mit. "Die Ergebnisse der beiden Wahlen zeigen, dass die Demokratische Fortschrittspartei nicht in der Lage ist, die vorherrschende öffentliche Meinung zu repräsentieren", sagte er.
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sorgten offenbar auch bei chinesischen Internetnutzern für großes Interesse: Der Hashtag "Taiwan Wahl" war auf der Onlineplattform Weibo ein Trendthema - bevor er blockiert wurde. In der vom chinesischen Staatssender CCTV für alle Lokalsender produzierten abendlichen Nachrichtensendung wurde die Wahl mit keinem Wort erwähnt.
Kritik an Japan
Nach dem Wahlsieg Lais gratulierten mehrere Staaten - darunter auch die japanische Außenministerin Yoko Kamikawa. Deren Glückwünsche wurden in Peking mit Empörung aufgenommen. Wie Chinas Botschaft in Tokio mitteilte, sprach man sich entschieden gegen die Erklärung der Ministerin aus. Kamikawa hatte erklärt: "Wir erwarten, dass die Taiwan-Frage durch einen Dialog friedlich gelöst wird und so zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt." Die chinesische Botschaft bezeichnete die Äußerung der Ministerin als "ernsthafte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas".
Gratulation aus mehreren Ländern
Die EU begrüßte den Ausgang der Wahl. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
Auch die britische Regierung gratulierte Lai, ebenso wie US-Außenminister Antony Blinken. Er fügte hinzu: "Wir gratulieren auch dem taiwanischen Volk, das einmal mehr die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt hat." US-Präsident Joe Biden betonte allerdings, dass sein Land nicht eine Unabhängigkeit Taiwans unterstütze.
Expertin: Krieg in der Meerenge unwahrscheinlich
Taiwan-Experte Henning Klöter hatte kurz vor der Wahl gesagt, er gehe davon aus, dass Lai im Falle eines Wahlsiegs die Politik der amtierenden Präsidentin Tsai fortsetzen werde. "Das heißt: die Volksrepublik rhetorisch verbal nicht zu offensiv angehen, einen milden Ton anschlagen, aber sich gleichzeitig auf die Position zurückziehen, dass Taiwan quasi bereits unabhängig ist", so Klöter im tagesschau.de-Interview.
Nach Einschätzung von Helena Legarda, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik am China-Institut Merics in Berlin, könnte Lais Sieg die Spannungen in der Taiwanstraße aber erhöhen. "Es gibt die Erwartung, dass Peking damit reagiert, den Druck auf Taiwan zu erhöhen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Möglich seien etwa Militärübungen oder handelspolitische Zwangsmaßnahmen. Einen Krieg in der Meerenge hielt die Expertin allerdings für unwahrscheinlich.
Lai: Offizielle Unabhängigkeitserklärung unnötig
Als Taiwanstraße wird die etwa 180 Kilometer breite Meerenge zwischen der Insel Taiwan und der chinesischen Provinz Fujian bezeichnet. Für den internationalen Handel ist sie äußert wichtig. Mittlerweile lässt Pekings Volksbefreiungsarmee regelmäßig als Machtdemonstration Kampfflieger in Taiwans Luftverteidigungszone fliegen.
Lai Ching-te, der mitunter auch William Lai genannt wird, will die Verteidigung Taiwans deshalb aufrüsten und China so abschrecken, einen Konflikt zu beginnen. Er hält es nach eigenen Worten aber nicht für nötig, die Unabhängigkeit Taiwans offiziell zu erklären.