Taiwan Nationalfeiertag - aber was wird gefeiert?
Der Nationalfeiertag auf Taiwan steht im Zeichen zunehmender Spannungen um die Zukunft der Insel. Die Volksrepublik China will Taiwans Eigenständigkeit unterbinden, und in Taiwan streiten die Parteien über den Umgang mit Peking.
Taiwan feiert am 10. Oktober traditionell den Beginn des Wuchang-Aufstandes im Jahr 1911, der zum Sturz des chinesischen Kaiserreichs und zur Gründung der Republik China führte. Die Regierung in Taipeh sieht sich bis heute als legitime Vertreterin dieser ersten chinesischen Republik, deren politische Führung 1949, nach Jahren des Bürgerkriegs vor den siegreichen Kommunisten Mao Zedongs nach Formosa floh.
Die inzwischen demokratisch regierte Insel ist heute als Taiwan bekannt, wird von der autokratisch regierten Volksrepublik China aber als chinesisches Staatsgebiet betrachtet, dem keine Eigenständigkeit zustehe.
In diesem Jahr haben die Feierlichkeiten in Taiwan zu einer innenpolitischen Polarisierung geführt zwischen der regierenden Demokratischen Progressiven Partei DPP von Präsidentin Tsai Ing-wen und der Kuomintang, die seit 2016 in der Opposition ist.
Präsidentin Tsai hat bereits vor zwei Jahren den Nationalfeiertag in "Taiwan National Day" umbenannt. Die Kuomintang sieht darin eine Provokation der Volksrepublik China und befürchten eine weitere Verschlechterung der Beziehungen.
Zwei unterschiedliche Ziele
Während die progressive DPP die Unabhängigkeit Taiwans von China stärker vorantreiben will, vertritt die Kuomintang eher ein kooperatives Auskommen mit dem übermächtigen Nachbarn und sieht die Gefahr, dass durch die Proklamierung eines Taiwan-Nationaltages die Sicherheit des Inselstaates in Gefahr geraten könnte.
Ex-Präsident Ma Ying-jeou, einer der prominentesten Politiker der Kuomintang, hat sogar seine Teilnahme an den diesjährigen Feierlichkeiten abgesagt. Die Umbenennung des Nationalfeiertages sei ein Verstoß gegen die Verfassung, so Ma, in der die Republik China als Name des Landes verankert sei.
Präsidentenwahl wirft Schatten voraus
Der beginnende Wahlkampf dürfte dabei durchaus eine Rolle spielen. Für den Januar sind Präsidentschaftswahlen angesetzt, und die Kuomintang will zurück an die Macht in Taiwan.
Gute Beziehungen mit der Volksrepublik China seien der einzige Garant für Frieden, sagte der frühere stellvertretende Generalsekretär der Kuomintang, Zhang Ronggong, jüngst beim sogenannten Cross-Straits-Forum, einer Konferenz zu den bilateralen Beziehungen zwischen China und Taiwan.
Die Vereinbarung von 1992 sei die Grundlage dafür, so Zhang - und nicht die Erklärung einer Unabhängigkeit Taiwans.
Die Schwierigkeiten überwinden - aber wie?
Manche Kuomintang-Politiker gehen noch einen Schritt weiter und sprechen gar von einer Vereinigung mit der Volksrepublik China. Die beiderseitigen Beziehungen über die Straße von Taiwan würden Höhen und Tiefen durchlaufen, sagte die frühere Vorsitzende der Kuomintang, Hung Hsiu-chu.
Sogar von der Gefahr eines militärischen Konflikts sei in letzter Zeit die Rede: "Wir müssen unsere Schwierigkeiten überwinden, dann ist eine friedliche Vereinigung in greifbarer Nähe. Wir sind voller Hoffnung."
Unterschiedliche Interpretationen
Die Vereinbarung, die 1992 zwischen der Volksrepublik China und der Führung von Taiwan unter der Kuomintang geschlossen wurde, wird von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert. Peking betrachtet die Vereinbarung als die Anerkennung des sogenannten Ein-China-Prinzips und somit als eine Bestätigung der Zugehörigkeit Taiwans zur Volksrepublik.
In Taipeh hingegen vertritt man die Ansicht, dass sich der Begriff "Ein China", auf das historische Gebiet bezieht, es aber zwei Staatsformen gibt, die Volksrepublik auf dem Festland und die Republik China auf Taiwan.
Was die DPP will
Für die in Taipeh regierende Demokratische Progressive Partei DPP steht deshalb die Eigenständigkeit Taiwans an erster Stelle. Präsidentin Tsai, die im Januar nach zwei Amtszeiten abtreten muss, beruft sich auf die Verfassung und bekräftigt, mit ihrer Politik für die Souveränität und territoriale Integrität der Republik China einzutreten.
Auch Vize-Präsident William Lai, der als aussichtsreichster Kandidat der DPP in den Präsidentschaftswahlkampf geht, steht für die Eigenständigkeit. Taiwan wähle einen eigenen Präsidenten, das sei doch ein Beweis dafür, dass das Land bereits de facto souverän sei, so Lai in einem japanischen Zeitungsinterview.
China attackiert die DPP
Für die Regierung in Peking sind das Provokationen von Separatisten, die den falschen Eindruck erwecken wollten, es gebe zwei chinesische Staaten. Die Demokratische Progressive Partei DPP in Taiwan, so die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, Anfang September bei einem Pressebriefing in Peking, gefährde den Status quo sowie Frieden und Sicherheit auf beiden Seiten der Straße von Taiwan.
Die Volksrepublik China versucht mit allen politischen und diplomatischen Mitteln und mit militärischen Drohgebärden, jeden Versuch Taiwans zu unterbinden, sich als eigenständiger Staat zu repräsentieren. So verhindert das ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat China seit Jahrzehnten, dass Taiwan in den Vereinten Nationen oder in einer der zahlreichen UN-Unterorganisation Mitglied werden kann.
Keine Aussichten auf UN-Mitgliedschaft
Die Vereinten Nationen bestünden aus unabhängigen Staaten, sagte der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten der Regierung in Peking. Taiwan sei aber kein eigenständiges Land, sondern ein fester Teil der Volksrepublik China. Taiwan habe deshalb kein Recht, den Vereinten Nationen beizutreten.
In den vergangenen Monaten hat die kommunistische Führung in Peking ihre militärischen Drohgebärden gegenüber Taiwan verstärkt. Chinesische Kampfflugzeuge dringen immer wieder in das sicherheitsrelevante Randgebiet des von Taiwan beanspruchten Luftraums ein und auf dem chinesischen Festland, in der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian, werden offenbar Luftwaffenstützpunkte ausgebaut und verstärkt. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat immer wieder den Anspruch Chinas auf Taiwan bekräftigt und für eine, wie es in Peking heißt, "Wiedervereinigung" auch militärische Mittel nicht ausgeschlossen.
Der Nationalfeiertag in Taiwan steht in diesem Jahr somit zum einen im Spannungsfeld des Wahlkampfs mit seinen innenpolitischen Differenzen über den Umgang mit China. Und zum anderen im Kontext der Gefahr einer möglichen Eskalation der militärischen Bedrohung durch die übermächtige Volksrepublik und ihrer mit Atomwaffen ausgerüsteten Volksbefreiungsarmee.