Ein Zivilist macht in Rostow am Don ein Selfie mit Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Gruppe.
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Wagner-Söldner in Russland Wie geht es nach dem Prigoschin-Deal weiter?

Stand: 25.06.2023 11:39 Uhr

Der belarusische Präsident Lukaschenko soll Wagner-Chef Prigoschin dazu gebracht haben, den Sturm auf Moskau abzubrechen. Was ist über den Deal bekannt? Wie könnte es mit der Wagner-Gruppe weitergehen? Erste Antworten und Einschätzungen.

Wie geht es mit Prigoschin weiter?

Jewgeni Prigoschin wurde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin öffentlich als "Verräter" gebrandmarkt - und keine zwölf Stunden später faktisch genauso öffentlich begnadigt.

Der Chef der Wagner-Söldner werde unbehindert ins Nachbarland Belarus gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Als Garantie für den freien Abzug habe Prigoschin "das Wort des Präsidenten". Der Zeitplan dafür ist aber noch unklar.

Zuvor hatte der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko nach eigenen Angaben Prigoschin in geheimen Verhandlungen dazu gebracht, den Vormarsch der Wagner-Truppen auf Moskau aufzugeben. Der belarusische Präsident ist ein enger Verbündeter Russlands und gleichzeitig wirtschaftlich wie politisch vom großen Nachbarn abhängig.

Unklar ist, ob Prigoschin neben der Straffreiheit noch weitere Zugeständnisse gemacht wurden. Er hatte unter anderem die Entlassung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow gefordert.

"Wahrscheinlich erfolgreicher Vermittlungsversuch Lukaschenkos", Olaf Bock, ARD Warschau, zu Rückzug Wagner-Gruppe

tagesschau24, 25.06.2023 12:00 Uhr

Was wird aus den Wagner-Söldnern?

Auch die Kämpfer der Wagner-Gruppe sollen nicht strafrechtlich verfolgt werden, versicherte Peskow. Die Söldner, die sich nicht am Aufstand beteiligten, sollen demnach ein Angebot zum Dienst in der russischen Armee erhalten.

Prigoschin ordnete an, dass die Wagner-Einheiten in ihre Feldlager in den besetzten Teilen der Ukraine zurückkehren sollen. Es gibt diverse Videos in den sozialen Medien, die den Abzug aus der südrussischen Stadt Rostow am Don belegen sollen. Gestern hatten sie das dortige regionale Hauptquartier der Armee offenbar kampflos übernommen.

Die mögliche Eingliederung der Wagner-Einheiten in die reguläre Armee hatte schon vor dem Aufstand für Streit gesorgt. Prigoschin weigerte sich öffentlich, entsprechende Verträge bis zum 1. Juli zu unterzeichnen. Er begründete dies mit Unfähigkeit der Armeeführung, die Truppen organisiert zu kommandieren.

Es ist derzeit unklar, ob die Wagner-Einheiten loyal zu Prigoschin stehen, sich in die Armee eingliedern lassen oder die Waffen niederlegen.

Wagner-Kämpfer bereiten in Rostow einen Panzer zum Abtransport vor.

Die Wagner-Einheiten haben Rostow am Don inzwischen verlassen. Der Abmarsch wurde von vielen Schaulustigen beobachtet.

Was wird aus Prigoschins Unternehmen?

In den vergangenen Monaten hatte es Prigoschin vor allem mit seiner Kampfgruppe Wagner in die Schlagzeilen geschafft. Eigentlich ist er vor allem ein erfolgreicher Unternehmer mit bisher engen Verbindungen zum Kreml.

Er besitzt ein Catering-Unternehmen, das staatliche Einrichtungen versorgt, und soll auch mehrere Medienunternehmen kontrollieren. Muss er diese Unternehmen nun verkaufen? Verliert er staatliche Aufträge? Oder geht alles weiter wie bisher? Dies sind offenen Fragen, zu denen öffentlich noch nichts bekannt wurde.

Wagner-Kämpfer sind zudem nicht nur in der Ukraine, sondern auch in afrikanischen Staaten wie Mali aktiv. In den vergangenen Jahren wurden sie auch in Syrien eingesetzt. Der Kreml nutzte diese Kämpfer für staatliche Ziele - ohne allerdings die Armee dafür entsenden zu müssen. Auch hier ist noch unklar, wie es nun weitergeht.

Welche Folgen könnte es für den Ukraine-Krieg geben?

Die Wagner-Kämpfer haben an zentralen Schlachten in der Ukraine teilgenommen, Prigoschin schaffte es während der erbitterten Kämpfe um Bachmut immer wieder in die Schlagzeilen. Seiner Darstellung nach wird die russische Armee falsch geführt, er warf der Militärführung wiederholt Versagen vor.

In jüngster Zeit sollen die Wagner-Einheiten ihre Stellungen an die Armee übergeben haben, sodass durch den Wagner-Aufstand keine Frontabschnitte geschwächt sein sollten. Durch die laufende ukrainische Gegenoffensive ist der Druck auf die russische Armee allerdings groß. Ein Rückgriff auf Wagner-Kämpfer könnte die Situation entspannen, fraglich ist aber, ob die Armeeführung genug Vertrauen in die Söldner hat.

Ein zweiter Angriff aus Belarus?

Prigoschins Exilort lässt auch andere Mutmaßungen zu. Der britische Ex-General Richard Dannatt warnte im Sender Sky News vor einem Angriff der Wagner-Kämpfer aus Belarus, falls viele Söldner ebenfalls dorthin gehen sollten.

Sollte Prigoschin im ukrainischen Nachbarland eine "effektive Streitmacht" sammeln, wäre dies eine Bedrohung. Die Ukraine müsse diese Flanke beobachten und sollte manövrierfähige Einheiten vorhalten, die einen Angriff aus Richtung Belarus abwehren könnten.

Am Beginn des russischen Angriffskrieges waren reguläre Armeeeinheiten aus Belarus auf Kiew vorgestoßen. Die ukrainische Hauptstadt ist nicht weit von der Grenze entfernt.

Mit Informationen von Christina Nagel, ARD Moskau, dpa, AP

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 25. Juni 2023 um 09:00 Uhr.