"Wahlen" in Kambodscha Nichts dem Zufall überlassen
Heute lässt Kambodschas Autokrat Hun Sen sich wiederwählen. Die Opposition hat er längst ausgeschaltet, jede Kritik unterdrückt. Und auch die Übergabe der Macht an seinen Sohn ist schon geklärt.
Offiziell sind heute Wahlen in Kambodscha. Doch Premierminister Hun Sen, der das südostasiatische Land zwischen Thailand, Laos und Vietnam seit fast 40 Jahren autoritär führt, hat nichts dem Zufall überlassen, um seine Wiederwahl zu garantieren - und die Übergabe der Macht an seinen Sohn.
Kambodscha ist eines der ärmsten Länder der Region Asien-Pazifik und - gleich nach Myanmar und Nordkorea - eines der korruptesten. Justiz und Wahlausschuss stehen unter der Kontrolle des 70-jährigen Autokraten Hun Sen und seiner Kambodschanischen Volkspartei (CPP).
Oppositionspartei darf nicht antreten
Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 sicherte sich Hun Sens Partei fast 80 Prozent der Stimmen und damit alle 125 Sitze der Nationalversammlung. Damals hatte die Regierung die Teilnahme der größten Oppositionspartei verhindert, nachdem diese vier Jahre zuvor knapp den Wahlsieg verpasst hatte.
Ihrer Nachfolgepartei - der einzigen Partei, die eine echte Konkurrenz für Hun Sens Machtapparat darstellt - ging es dieses Mal nicht anders. Die Begründung: Die Candlelight-Partei (CP) soll die notwendigen Papiere für die Teilnahme an den heutigen Wahlen nicht rechtzeitig eingereicht haben.
Parteivertreter sagen, sie seien von der staatlichen Bürokratie behindert worden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erwartet auch Manipulation bei der Auszählung der Wahlzettel. Der mittlerweile im Exil lebende Gründer der Oppositionspartei, Sam Rainsy, hält die Wahlen entsprechend für "einen Witz".
Seitenwechsel oder Verhaftung
Die Candlelight-Partei wurde nach der Auflösung der "Cambodia National Rescue"-Partei (CNRP) gegründet. Im Vorfeld der letzten Parlamentswahlen 2018 war diese auf Antrag der Regierung vom Obersten Gerichtshof verboten worden, nachdem ihr prominenter Oppositionsführer wegen angeblichen Hochverrats verhaftet worden war. Kem Sokha, seit 2017 im Hausarrest, wurde im März dieses Jahres zu 27 Jahren Haft wegen Verschwörung mit ausländischen Mächten gegen die Regierung verurteilt.
Der ehemalige Jugendleiter der Oppositionspartei, Yim Sinorn, der in Haft saß, nachdem er auf Facebook Kommentare über die Regierung gepostet hatte, ist inzwischen zur Regierungspartei übergelaufen. Es gehört zur Strategie der CPP, Oppositionskandidaten zum Seitenwechsel zu bewegen.
Jede Regierungskritik ausgeschaltet
Das Ausschalten regierungskritischer Stimmen im Wahlkampf rechtfertigt Hun Sen als notwendige Maßnahme, um "die nationale Spaltung" und jegliche Form von "extremistischer Politik und Aktivität" zu verhindern.
Nur wenige Tage vor der heutigen Wahl ordnete Hun Sen die Sperrung von Radio Free Asia und anderen Medien an. Schon im Februar wurde Voice of Democracy, eine der letzten unabhängigen kambodschanischen Medien, geschlossen, weil sie den Sohn des Regierungschefs kritisiert hatte.
Die Regierung zögert nicht davor, bereits die leiseste Kritik mithilfe von Scheinprozessen zum Verstummen zu bringen. Die bekannte kambodschanisch-US-amerikanische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Seng Theary wurde im Juni 2022 nach einem Massenprozess mit 60 anderen Aktivisten und Aktivistinnen ins Gefängnis gesteckt.
Dass Menschenrechtsverstöße und die Unterdrückung der Opposition weitere Sanktionen durch die EU und die USA nach sich ziehen könnten, scheint die Regierung nicht zu beeindrucken. China, der engste Verbündete Kambodschas, hält Hun Sen den Rücken frei und unterstützt mit Investitionen in die Infrastruktur.
Die dynastische Nachfolge ist beschlossen
Hun Sen ist ein ehemaliger Kommandeur der Roten Khmer, der nach einem Seitenwechsel half, das Terrorregime unter Pol Pot zu stürzen, das bis zu einem Viertel der eigenen Bevölkerung ermordet hatte. Im Wahlkampf verkaufte er sich nun als Garant für Stabilität und Sicherheit.
Doch gleichzeitig plant Hun Sen die Übergabe der Macht an seinen Sohn: Hun Manet, der in Großbritannien und in den USA studiert hat, ist bislang Chef der kambodschanischen Armee. Politikerfahrung hat er jedoch noch nicht, und Beobachter meinen, er werde es als Premierminister schwer haben. Sogar in der eigenen Partei fehle das Vertrauen in ihn.
Doch sein Vater regelte die dynastische Nachfolge schon abschließend per Parteibeschluss. Entsprechend kandidiert Hun Manet diesmal auch für einen Sitz in der Nationalversammlung - als Spitzenkandidat der Partei. Es wird erwartet, dass Hun Manet spätestens bei den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2028 die Macht übernimmt.