Baerbock in Nahost "Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben"
In Ägypten setzt Außenministerin Baerbock sich für ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen ein - und warnt vor einer Offensive in Rafah. Derweil setzt Israel seine Angriffe fort - Ziel sind Hamas-Terroristen und ihre Unterstützer.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich bei Krisengesprächen in Ägypten erneut gegen einen israelischen Bodeneinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens ausgesprochen. "Eine Großoffensive auf Rafah darf es nicht geben", sagte die Grünen-Politikerin am Flughafen in Kairo. "Menschen können sich nicht in Luft auflösen."
In der Stadt an der Grenze zu Ägypten suchen Schätzungen zufolge derzeit 1,5 Millionen der 2,2 Millionen Bewohner des Gazastreifens auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen des Küstengebiets. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu beharrt auf eine Offensive in der Stadt, weil das Militär dort viele Hamas-Mitglieder und Führungsfiguren vermutet. Die Armee habe offenbar Pläne ausgearbeitet, um die Zivilisten in Sicherheit zu bringen, hieß es.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee
In Kairo sprach Baerbock vor dem Hintergrund der stockenden Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas mit ihrem ägyptischen Amtskollegen Sameh Schukri zudem über eine Waffenruhe und Geiselfreilassungen. Am Abend wird die Außenministerin zu Gesprächen mit ihrem palästinensischen Kollegen Riad al-Maliki sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah erwartet.
UNRWA berichtet von Blockade der Hilfen
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, sagte bei einem Besuch in Jordanien, man sei sich international zunehmend darin einig, dass Israel zu einer Feuerpause aufgefordert werden sollte. Außerdem nehme der Konsens zu, Israel klar zu machen, dass eine Bodenoffensive auf Rafah eine humanitäre Katastrophe bedeuten könnte, so der UN-Chef.
Nach Angaben des UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA vom Sonntag erlaubt Israel keine Lebensmittel-Lieferungen mehr in den Norden des Küstenstreifens. UNRWA werde daran gehindert, lebensrettende Hilfe nach Nord-Gaza zu bringen, schrieb dessen Chef Philippe Lazzarini auf der Plattform X, vormals Twitter. Eine Vertreterin der für die Koordinierung der Nothilfe zuständigen israelischen Militärbehörde sagte vergangene Woche in Genf, es gebe keine Einschränkung von Hilfskonvois. Das Problem liege vielmehr innerhalb des Gazastreifens, weil die Akteure dort nicht in der Lage seien, mehr Material zu verteilen.
Kämpfe um Kliniken dauern an
Unterdessen setzte Israel seine Angriffe auf Kliniken im Gazastreifen fort. Die Armee teilte mit, man führe neue "präzise" Einsätze im Al-Schifa-Krankenhaus-Komplex in Gaza-Stadt aus. Dabei vermieden die Soldaten Verletzungen von Zivilisten, Patienten und medizinischem Personal sowie Beschädigungen der medizinischen Einrichtungen.
Über 500 Mitglieder der Terrormilizen Hamas und Islamischer Dschihad seien seit Beginn der Vorstöße gegen das Al-Schifa-Krankenhaus vor einer Woche festgenommen worden. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, Hunderte von Patienten und medizinischem Personal würden in der Anlage festgehalten.
Fortgesetzt wurden auch die am Sonntag gestarteten Vorstöße gegen die Krankenhäuser Al-Amal und Nasser in der südlichen Stadt Chan Yunis. Dort seien 20 Terroristen ausgeschaltet worden, teilte die Armee mit. Israel wirft der Hamas vor, Krankenhäuser als Stützpunkte und Waffenlager zu missbrauchen. Die Hamas und das Klinikpersonal bestreiten dies.
Mediziner berichten von 30 Toten in Rafah
Palästinensische Mediziner teilten mit, in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah seien in den vergangenen 24 Stunden 30 Menschen durch israelische Angriffe getötet worden. "Bei jedem Bombenangriff in Rafah befürchten wir, dass die Panzer kommen werden. Die letzten 24 Stunden waren einer der schlimmsten Tage, seit wir nach Rafah gezogen sind", sagte Abu Khaled, ein Vater von sieben Kindern, der laut der Nachrichtenagentur Reuters aus Angst vor Repressalien seinen vollen Namen nicht nennen wollte.
Als Reaktion auf den beispiellosen Hamas-Überfall am 7. Oktober vergangenen Jahres geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 32.100 Menschen getötet. Die Vermittler USA, Ägypten und Katar bemühen sich seit Wochen um eine Einigung zwischen Israel und der Hamas über eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.