Brexit EU entscheidet über Aufschub
Die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten beraten heute darüber, ob sie Großbritannien eine erneute Verlängerung der Austrittsfrist gewähren. Die Entscheidung muss einstimmig erfolgen.
Das ganze Wochenende lang haben EU-Diplomaten in Brüssel verhandelt. Jetzt liegt das Angebot der EU an die Briten ausformuliert vor: Heute müssen ihm die 27 Botschafter der Mitgliedsstaaten noch zustimmen - und zwar einstimmig. Nicht, wie bisher von der EU beschlossen, bereits am 31. Oktober, sondern spätestens am 31. Januar müssen die Briten die EU verlassen. Sollte das britische Unterhaus dem Brexit-Deal allerdings noch in diesem Jahr zustimmen, zeigt sich die EU flexibel.
Von einer "Flextension", also der Möglichkeit einer flexiblen Verlängerung des Austrittsdatums sprachen EU-Diplomaten gegenüber dem ARD-Studio Brüssel. Das heißt konkret: Ist der Deal bereits im November parlamentarisch unter Dach und Fach, kann das Vereinigte Königreich am 1. Dezember die EU verlassen - oder am Neujahrstag, falls das Unterhaus im Dezember zustimmt.
Bedenken in Paris
Am schwersten tut sich Frankreichs Präsident damit, den Briten mit einer erneuten Vertragsverlängerung entgegenzukommen. Noch beim EU-Herbstgipfel sprach sich Emmanuel Macron dafür aus, dass Ende dieses Monats für die Briten Schluss mit der EU-Mitgliedschaft sein soll. Doch mit seiner Prophezeiung, die EU werde einer erneuten Verschiebung des Austrittstermins nicht zustimmen, stand der französische Präsident isoliert da.
Außerdem gibt es neue Signale aus Großbritannien: Liberaldemokraten und Schottische Nationalisten erklärten, heute für Boris Johnsons Antrag zu Neuwahlen am 12. Dezember zu stimmen.
Und so ist jetzt auch Frankreichs Botschafter bei der EU mit dem Vorschlag von Ratspräsident Donald Tusk einverstanden, den Briten wie vom Unterhaus gefordert eine dreimonatige Verlängerungsfrist einzuräumen - ergänzt um die Option, bereits am 1. Dezember die EU zu verlassen und mit der Aufforderung an den britischen Premier, einen Kandidaten für die EU-Kommission von Ursula von der Leyen zu benennen, was Johnson allerdings bisher strikt ablehnt.
Keine Verhandlungen mehr über Abkommen
Alle EU-Mitgliedsstaaten sind sich einig, dass der mit Johnson ausgehandelte Deal nicht mehr neu verhandelt wird. Es geht ausschließlich darum, den Briten Neuwahlen zu ermöglichen. Spätestens am 1. Februar ist die britische EU-Mitgliedschaft Vergangenheit. Für eine Übergangszeit bis mindestens Ende kommenden Jahres gelten dennoch weiterhin die EU-Standards und Regeln.
Wie das zukünftige Verhältnis zwischen dem Vereinigen Königreich und der Europäischen Union aussieht, ist allerdings ungewiss. Der vorliegende Brexit-Deal stellt lediglich klar, dass in Nordirland weiterhin EU-Normen und Standards gelten. Ob und wann sich die EU und der künftige Drittstaat Großbritannien auf einen Handelsvertrag einigen können, ist noch völlig offen. Ein harter Brexit ist also langfristig nur für Nordirland ausgeschlossen.