EU-Spitzen zum Brexit London verliert "die Stärke der Gemeinschaft"
Mit Großbritannien verliert die EU einen "verankertes Mitglied" - das wurden die EU-Spitzen auch am Austrittstag nicht müde zu betonen. Doch das wahre Verlustgeschäft machen beim Brexit eindeutig die Briten.
Zum Austritt aus der eigenen Gemeinschaft gibt die EU Großbritannien nicht nur milde Abschiedsworte, sondern auch klare Mahnungen auf den Weg. Mit dem Brexit beginne auch für die EU ein "neues Kapitel", betonte die Vorsitzende der EU-Kommission, Ursula von der Leyen.
Die Kommissionschefin äußerte sich gemeinsam mit EU-Ratspräsident Charles Michel und dem Präsidenten des EU-Parlaments, David Sassoli, zum bevorstehenden Austritt Großbritanniens um Mitternacht. Alle drei versicherten ihren Willen, auch künftig eine "dauerhafte, positive und sinnvolle Partnerschaft" mit dem Vereinten Königreich halten zu wollen. So hatten es die drei EU-Spitzen auch schon in einer am Morgen veröffentlichten gemeinsamen Erklärung formuliert. Durch "die gemeinsame Geografie, Geschichte und Verbindungen in so vielen Bereichen" seien die EU und Großbritannien "natürliche Verbündete". Die Europäische Union verliere heute ein "fest verankertes Mitglied", doch sie akzeptiere die Entscheidung.
Vorteile der EU nur für Mitglieder
Und dann folgten auf die leicht reuevollen Abschiedsworte klare Einschränkungen, derer sich London bewusst sein müsse. Großbritannien dürfe nicht darauf hoffen, in Zukunft die gleichen Vorteile zu genießen wie die EU-Mitglieder, betonte von der Leyen. Und mit Blick auf die kommenden Monate der neuen Verhandlungen mit Großbritannien fügte Ratspräsident Michel hinzu: "Je mehr sich Großbritannien von den europäischen Standards entfernen wird, desto geringer wird sein Zugang zum europäischen Binnenmarkt sein."
Schon in ihrer gemeinsamen Erklärung hatten die EU-Chefs ihre Ansprüche an ein Handelsabkommen nochmals unterstrichen: "gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Umwelt, Arbeit, Steuern und staatlichen Beihilfen" auf Seite der EU und der britischen Regierung, sonst wird es nichts mit dem Binnenmarkt für London.
Die EU - eine einzigartige Gemeinschaft
Doch nicht nur im Handel drohen Großbritannien Vorteile verloren zu gehen, sondern es verliert auch die Stärke einer Gemeinschaft, wie von der Leyen in ihrem Statement betonte:
Nirgendwo auf der Welt findet man sonst 27 Nationen mit 440 Millionen Einwohnern und 24 unterschiedlichen Sprachen, die sich aufeinander verlassen, miteinander arbeiten, miteinander leben. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich die Herausforderungen der EU und ihre Möglichkeiten durch den Brexit nicht verändert haben.
Keine Lösungen im Alleingang
Stärke liege nicht in der "wunderbaren Isolation", "sondern in unserer einzigartigen Gemeinschaft", zeigten sich von der Leyen, Sassoli und Michel überzeugt. Kein Land könne allein den Klimawandel aufhalten, Lösungen für die Digitalisierung oder Migration finden oder "eine starke Stimme in der immer lauteren Kakophonie der Welt" beweisen.
Die EU werde diese Herausforderungen vor allem auch mithilfe der Einheit ihrer Mitglieder lösen. Natürlich werde sie auch weiterhin "in der Außenpolitik, in Fragen der Sicherheit und Verteidigung" und im Handel mit Großbritannien zusammenarbeiten. "Aber wir werden es auf anderen Wegen tun", unterstrichen die EU-Chefs.
Ein "Einschnitt für Europa"
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, äußerte Bedauern über den Brexit und sprach von einem "Einschnitt für Europa". Großbritannien sei ein "starkes" und "leistungsfähiges" Land. "So ein Land lässt man nicht gerne ziehen", fügte Seibert hinzu. Deutschland wolle nun "die europäische Erfolgsgeschichte" gemeinsam mit den verbleibenden 26 anderen Mitgliedern fortschreiben.
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hofft künftig auf eine enge Partnerschaft mit Großbritannien. Auf Twitter kündigte er ebenfalls ein "neues Kapitel" an, das nun aufgeschlagen werde.
Zu den Entwicklungen rund um den Tag des Brexit sendet das Erste um 23.40 Uhr eine Extraausgabe der tagesthemen.