Brexit-Gespräche Deal, Verschiebung oder Scheitern
Geht da noch was im Brexit-Gezerre? Die Wasserstandsmeldung des EU-Chefunterhändlers gibt keine Tendenz vor - alles sei denkbar. Es hängt offenbar an drei Knackpunkten.
Man hat sich offenbar angenähert, doch der ganz große Durchbruch ist bislang nicht zu vermelden: Im Ringen um einen Brexit-Deal in quasi letzter Minute fordert die EU von Großbritannien weitere Nachbesserungen. Mit Blick auf den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag hat Brüssel dafür eine Frist bis Dienstagabend gesetzt. EU-Chefunterhändler Michel Barnier gab den Vertretern der 27 EU-Staaten laut Diplomaten einen entsprechenden Zwischenstand über die Gespräche: Denkbar seien derzeit drei Szenarien - ein Deal noch im Laufe des Tages, eine weitere Verschiebung des britischen Austritts oder das Scheitern der Gespräche.
Barnier sagte den EU-Außenministern in Luxemburg zudem, dass es bei drei Themen noch Redebedarf mit Großbritannien gebe: Die Zollregelung für die irische Insel, die Frage eines größeren Mitspracherechtes der nordirischen Behörden sowie die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen.
Heute oder nach dem Gipfel
Sollte es darüber jetzt keine Einigung geben, müssten die Brexit-Gespräche nach dem EU-Gipfel fortgeführt werden, sagte Barnier nach Angaben von EU-Diplomaten weiter.
Auch der irische Außenminister Simon Coveney forderte, Großbritannien müsse bis zum Abend einen Gesetzentwurf vorlegen, über den dann die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Brüssel entscheiden sollten. "Ein Deal ist schwierig, aber möglich."
Mehrere EU-Außenminister zeigten sich allerdings skeptischer. Die finnische Europa-Ministerin Tytti Tuppurainen etwa sagte, die EU müsse sich darauf vorbereiten, dass es keine Scheidungsvereinbarung, sondern eine erneute Verschiebung des Brexit-Termins geben werde. Die Zeit für einen geordneten Brexit, also mit einer Vereinbarung über die künftigen Beziehungen, wird knapp.
Bundesregierung offen für späteren Sondergipfel
Ebenfalls skeptisch äußerte sich die Bundesregierung. Trotz der Fortschritte rechnet man in Berlin offenbar nicht mit einem entscheidungsreifen Konsenspapier für den Gipfel. "Vieles spricht dafür, dass zumindest noch technische Arbeit nach dem EU-Gipfel gemacht werden muss", sagte ein Regierungsvertreter in Berlin. EU-Chefunterhändler Barnier werde am Mittwochnachmittag eine Bewertung vorlegen. Dann werde man sehen, in welcher Weise das Brexit-Thema auf dem EU-Gipfel behandelt werden könne.
Es gebe Fortschritte in den Gesprächen. "Großbritannien wird sich aber noch etwas bewegen müssen", hieß es in Berlin. Wichtig sei vor allem, dass verbindliche Rechtstexte etwa für die zukünftige Grenze zwischen Nordirland und Irland vorgelegt würden. Sollte ein späterer Sondergipfel nötig werden, würde sich dem sicher niemand verweigern.
Zuvor hatten sich Teilnehmer des Außenminister-Treffens in Luxemburg positiv geäußert. Es gebe da "einigen Optimismus", sagt etwa der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. "Anderenfalls werden wir sehr wahrscheinlich noch einen Gipfel später in diesem Monat brauchen." Ähnlich äußerte sich der polnische Europa-Minister Konrad Szymanski. Auf beiden Seiten seien Bemühungen um eine Einigung erkennbar.
Neue Vorschläge von Johnson?
Nach Berichten des irischen Senders RTE sowie der britischen BBC will Großbritannien der EU-Kommission heute noch einmal neue Vorschläge unterbreiten. Dabei gehe es um die irische Grenzfrage. Die Vorschläge folgten einem Treffen des britischen Premiers Boris Johnson mit der Chefin der nordirischen Partei DUP, Arlene Foster, gestern Abend. Johnson ist im britischen Unterhaus auf die DUP-Stimmen angewiesen. Das Büro des britischen Premierministers Boris Johnson kommentierte dies bislang nicht.
Optimistisch gab sich auch der einflussreiche konservative Abgeordnete und Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg. Seiner Einschätzung nach hätte eine Brexit-Vereinbarung inzwischen genügend Unterstützer im britischen Parlament. "Ich denke, die Stimmen sind nun für einen Deal", sagte Mogg dem Sender LBC. Es gebe eine Stimmung im Land, und die Politiker müssten bis zu einem gewissen Grad empfänglich dafür sein. Einem Scheidungsvertrag mit der EU müsste das Unterhaus zustimmen, eine Sondersitzung ist für Samstag geplant.
Die Zeit für einen geordneten Brexit, also einen Austritt mit einer Vereinbarung über die künftigen Beziehungen, wird knapp. Johnson will, dass Großbritannien am 31. Oktober die EU verlässt.