Brexit Die No-Deal-Angst der britischen Landwirte
500 Millionen potenzielle Kunden - die könnten britischen Landwirten bald verloren gehen. Die Bauern sorgen sich vor einem Brexit ohne Abkommen. Der würde ihre Produkte in Europa verteuern.
Die Lye Cross Farm in der Nähe von Bristol stellt mit der Milch ihrer Kühe Käse her, vor allem den bekannten Cheddar Cheese. Pro Jahr produziert die Farm mehr als 4000 Tonnen Käse, fast die Hälfte davon wird exportiert, und die Hälfte dieser Exporte wiederum geht in die EU. Der Brexit, vor allem das Szenario eines No-Deal-Brexit, also eines EU-Austritts ohne Abkommen, treibt Peter Alvis um.
Der Managing Director der Farm hat jetzt schon mit der Bürokratie zu kämpfen: "Was uns am meisten Kopfschmerzen bereitet, ist zu verstehen, wie das mit dem Handel mit unseren Kunden ablaufen wird." Für ihn sei unklar, welche Dokumente nach dem Brexit für die Produkte benötigt werden, weil noch keiner die Regeln festgelegt habe.
Premierminister Johnson hat sich vor ein paar Tagen über die Situation der Landwirte in Schottland informiert.
Und alles wird viel teurer
Der Verwaltungsaufwand ist allerdings nur ein großer Faktor, der den Bauern Kopfschmerzen bereitet, ein anderer sind für Alvis die zu erwartenden Zölle: "Für Europa könnten es 40 Prozent sein. Das wird ziemlich schwierig für unsere Kunden. Werden sie diese Kosten auf den Endverbraucher abwälzen können? Oder müssen wir das anderweitig entschärfen?"
Ein No-Deal-Brexit dürfte die landwirtschaftlichen Betriebe teuer zu stehen kommen. Schätzungen zufolge könnten sich die Verluste auf bis zu 850 Millionen Pfund pro Jahr belaufen. In dem Fall müsste die Branche wohl auch mit Pleiten rechnen.
Zölle in Höhe von 40 Prozent - diese Vorstellung sorgt auch bei den Schafzüchtern in Wales für Verzweiflung, auch bei Richard Isaac: "Ich hoffe bei Gott, dass wir die EU mit einem Deal verlassen. Und ich hoffe, es ist ein guter Deal. Denn das könnte große Fragen aufwerfen und große Probleme verursachen, wenn wir das nicht tun."
In allen landwirtschaftlichen Bereichen könnte der EU-Austritt Nachteile mit sich bringen, befürchten die Bauern.
Sorge vor Grenzkontrollen
Abgesehen von den Zöllen könnten auch Veterinärkontrollen an den Grenzen für weitere Kosten sorgen. Viele Landwirte haben bei dem Referendum 2016 für den Brexit gestimmt, was aber nicht unbedingt heißt, dass sie auch einen Brexit ohne Abkommen wollten. Was der bedeuten würde, hat sich inzwischen herumgesprochen.
Premier Boris Johnson hat den Farmern bei seinem Besuch in Wales deshalb Zusagen gemacht. Sie sollten die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Wenn es Märkte gibt, mit denen es schwieriger werde, wolle die Regierung helfen, neue Märkte zu finden. Johnson versprach: "Wir werden eingreifen, mit dem Ziel, sie und ihre Einkommen zu stützen."
Der Premierminister versichert aber ohnehin ein ums andere Mal, dass er sich um einen Deal mit der EU bemüht und dass dies für seine Regierung Priorität habe - was allerdings von vielen Seiten bezweifelt wird. Daneben verkündet er, die britische Landwirtschaft werde ohne die EU gedeihen und spricht von neuen Möglichkeiten.
Was wäre, wenn sich die europäischen Kunden nicht mehr für britische Landwirtschaftsprodukte interessieren?
500 Millionen Europäer mögen britische Produkte
John Davies, der Präsident des walisischen Bauernverbands NFU Cymru, ist skeptisch und vertraut nicht auf die von Johnson beschworenen neuen Möglichkeiten. Er sieht eher die Vorteile, die die EU bislang bietet: "Die größte Möglichkeit derzeit ist Europa mit seinen 500 Millionen Bürgern. Sie mögen, was wir produzieren. Es ist offenkundig, dass wir den Zugang zu Europa wollen."
Obst- und Gemüsebauern wollen mindestens so sehr den Zugang von Europäern nach Großbritannien. Sie fürchten, künftig nicht mehr genügend Saisonarbeiter und Erntehelfer zu finden, wenn sich die Einreisebestimmungen ändern. Denn die allermeisten Hilfskräfte, die auf Großbritanniens Feldern arbeiten, stammen bisher aus Osteuropa.