Brexit-Protest in London Demonstrieren für das letzte Wort
In London hat eine Demonstration für ein weiteres Brexit-Referendum begonnen. Sie könnte die größte seit Jahren in ganz Großbritannien werden, der Veranstalter hatte Hunderttausende Teilnehmer angekündigt.
Gewappnet mit Plakaten, EU-Flaggen und sogar einem deutschen Karneval-Umzugswagen ziehen zur Stunde Brexit-Gegner durch die britische Hauptstadt. Sie fordern ein weiteres Referendum darüber, ob Großbritannien tatsächlich aus der EU aussteigen soll.
Ein Stück Düsseldorf in London - Der Umzugswagen vom Karneval findet zum zweiten Mal als Brexit-Protest Verwendung.
"Brexit ist ein heilloses Chaos"
In den Mittagsstunden hatten sich die ersten Teilnehmer im Hyde Park im Zentrum Londons versammelt. Die Demonstration soll durch das Regierungsviertel Westminster bis vor das Parlament führen. Hier ist eine Abschlusskundgebung geplant, auf der unter anderem Londons Bürgermeister Sadiq Khan, die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon und der Labour-Vize Tom Watson sprechen wollen.
Bereits am Freitagabend hatte Khan kritisiert, dass der Brexit "ein völliges und heilloses Chaos" sei und das Volk "das letzte Wort" haben müsse.
Größte Demo seit Jahren?
Zu dem Protest hatte die Kampagne "People's Vote" aufgerufen. Dessen Direktor James McGrory zeigte sich vor Beginn der Veranstaltung optimistisch, dass Hunderttausende Teilnehmer aus ganz Großbritannien anreisen würden. Damit könnte die Demonstration eine der größten seit Jahren in London werden.
Bereits im vergangenen Oktober waren laut McGrory rund 700.000 Menschen dem Aufruf von "People's Vote" gefolgt - "die zweitgrößte Demo, die das Land in diesem Jahrhundert gesehen hat, nur jene gegen den Irak-Krieg 2001 war größer." Bislang gaben die britischen Behörden noch keine offiziellen Teilnehmerzahlen bekannt. Die BBC sprach am frühen Nachmittag von Zehntausenden, die bei der Demo mitliefen.
Kein Wunsch "städtischer Eliten"
Dass der Wunsch nach einem zweiten Referendum und der Verbleib in der EU nur ein Projekt der städtischen Eliten sei, diesen Vorwurf weist McGrory scharf zurück:
Das ist schon eine grenzwertige Abwertung der vielen jungen Leute, der Menschen aus ethnischen Minderheiten, aus Gewerkschaften, der Umweltschützer, der großen Menge einfacher Leute - das ist doch nicht alles Elite. Es sind Leute, die sich leidenschaftlich um ihr Land sorgen.
Rund 56 Prozent der Briten unterstützen einer Umfrage zufolge derzeit ein zweites Referendum, 44 Prozent sind dagegen.
Mehr als vier Millionen Menschen haben bislang eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU unterzeichnet. Zeitweise war die Webseite wegen des Ansturms lahm gelegt.
Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen. Alle britischen Staatsbürger - auch im Ausland - und Einwohner in Großbritannien dürfen solche Online-Petitionen unterzeichnen.
May stellt Abstimmung infrage
Der Plan der britischen Regierung sieht derzeit zumindest kein neues Referendum vor. Doch wie genau es mit dem EU-Austritt weitergeht, scheint in der Downing Street auch niemand so genau zu wissen. Die EU hatte zuletzt der Bitte der britischen Premierministerin Theresa May um einen Aufschub des Brexit-Termins stattgegeben.
Doch nun stellte May selbst infrage, ob in der kommenden Woche im Unterhaus erneut über den von ihr mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abgestimmt werden soll. Sie werde ein solches Votum nur beantragen, wenn sie sich sicher sein könne, im Parlament auch die nötige Unterstützung zu erhalten, hieß es in einem Schreiben von May.