Brexit-Verhandlungen Es braucht zwei für einen Tango
Brexit-Chefunterhändler Barnier informiert heute über den Stand der Verhandlungen. Es spricht vieles dafür, dass es Ende des Monats weder einen Brexit-Deal noch einen harten Austritt geben wird.
Sämtliche EU-Kommissare kennen heute nur ein Thema: den Brexit. Denn heute informiert der Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission Michel Barnier das Juncker-Team über den aktuellen Stand der Brexit-Gespräche.
Von Verhandlungen kann man nicht ernsthaft sprechen, denn Barnier hat bereits am Wochenende erklärt, dass der Vorschlag der Briten nicht als Verhandlungsgrundlage für einen Ausstiegsvertrag taugt - weil das Johnson-Konzept auf der irischen Insel eine neue Grenze zwischen der EU-Republik Irland und der zu Großbritannien gehörenden Provinz Nordirland bedeutet. Und in der irischen See würde zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs eine zweite Grenze entstehen, da sich das übrige Großbritannien in Zukunft nicht mehr an die Sozial-und Umweltstandards der EU halten will.
Eine rote Linie
Zwei neue Grenzen, das ist für die EU inakzeptabel. Wenn die Briten nichts Neues in Brüssel vorlegen, gibt es keinen Deal, so lautet die Diagnose von Barnier. Man warte auf einen komplett überarbeiteten Vorschlag.
Doch das Johnson-Team denkt gar nicht daran, einen neuen Verhandlungsvorschlag einzureichen. Johnsons Brexit-Minister Barclay wurde schon seit elf Tagen nicht mehr in Brüssel gesehen. Wohlgemerkt: Während der Hochphase der sogenannten Brexit-Verhandlungen taucht Johnsons wichtigster Unterhändler überhaupt nicht in Brüssel auf.
"Abwarten und Tee trinken"
Das Motto der sogenannten Gespräche lautet: "Abwarten und Tee trinken". Mit dem Deal sei es wie mit dem Tango: Man braucht zwei dazu, betont Barnier. Mit der EU sei ein Deal aber nicht zu machen, argumentiert Johnson. Denn um Zollkontrollen auf der irischen Insel komplett auszuschließen, müsse Nordirland für immer und ewig im EU-Binnenmarkt und in der EU-Zollunion bleiben. Das könne die EU aber nicht allen Ernstes nach dem Brexit-Referendum vom Vereinigten Königreich verlangen.
Doch Johnson will der EU nicht nur die Brexit-Schuld zuschieben. Der britische Premier versucht, die Europäische Union auch zu spalten und übt Druck auf Ungarn und Estland aus, gegen eine Verlängerung der Brexit-Verhandlungen zu stimmen. Um diese Verlängerung muss Johnson spätestens am 19. Oktober bitten lassen, weil die Parlamentsmehrheit ihn dazu verpflichtet hat.
EU-Mitgliedsstaaten ziehen derzeit alle an einem Strang
Die EU wird die Verlängerung aber voraussichtlich gewähren. Zur Zeit ziehen alle 27 Mitgliedsstaaten an einem Strang - und das, obwohl Johnson damit droht, während der verlängerten Verhandlungsphase alle EU-Entscheidungen zu blockieren. Da er durch ein britisches Veto auch den zukünftigen EU-Haushalt so lange wie möglich sabotieren würde, geht die EU-Kommission davon aus, dass sich die Europäische Union nicht spalten lässt.
Wenn doch, dann geht Johnson mit dem harten Brexit in die Neuwahlen. Die EU wäre dann sein wichtigster Wahlkampfhelfer. Und der oder die Staaten, die ihm zu diesem Triumph verhälfen, wären in Zukunft absolute Außenseiter auf der EU -Bühne. Alles spricht also dafür, dass es im Oktober weder einen Brexit-Deal noch einen harten Brexit geben wird - sondern vielmehr eine Fortsetzung des Brexit-Verhandlungsdramas.