Brexit-Streit Eine Wahl als Ablenkungsmanöver?
Premier Johnson will Neuwahlen, und eigentlich will das auch die Labour-Partei - doch sie traut ihm nicht über den Weg. Im Zentrum des Brexit-Streits steht derzeit der mögliche Wahltermin.
Die Regierung von Boris Johnson musste diese Woche eine parlamentarische Niederlage nach der anderen einstecken. Nun hat der Londoner High Court immerhin eine Klage gegen die Zwangspause des Parlaments abgewiesen, die Johnson durchgedrückt hatte. Doch nicht zuletzt das konfrontative Verhalten des Premierministers hat dafür gesorgt, dass er nun keine Mehrheit im Unterhaus mehr hat. Jetzt will Johnson so schnell wie möglich Neuwahlen.
Am 15. Oktober schon möchte der britische Regierungschef die Wähler abstimmen lassen. Im ersten Anlauf war er mit diesem Plan im Unterhaus gescheitert, kommenden Montag will er es noch einmal versuchen. Doch die Opposition stellt sich quer.
Ein Londoner Gericht hat eine Klage gegen die fünfwöchige Zwangspause des britischen Parlaments abgewiesen. Eine Berufung gegen die Entscheidung vor dem Supreme Court wurde aber zugelassen. Dort soll es am 17. September weitergehen.
Geklagt hatten unter anderem die Geschäftsfrau und Aktivistin Gina Miller und Ex-Premierminister John Major. Sie sehen in der bis zu fünf Wochen langen Sitzungsunterbrechung ein unzulässiges politisches Manöver von Johnson, um seinen Brexit-Kurs durchzudrücken.
Oppositionsparteien stimmen sich ab
"Wir müssen absolut sicher sein, dass die Regierung die Wahl nicht als Ablenkungsmanöver benutzt, um Großbritannien mit einem gerissenen Trick doch ohne Vertrag aus der EU herauszuführen", sagte etwa Emily Thornberry, außenpolitische Sprecherin der oppositionellen Labour-Partei. Ihr Parteichef Jeremy Corbyn lotet jetzt das weitere Vorgehen mit den anderen britischen Oppositionsparteien aus.
Er verstehe das Zögern gar nicht, so Boris Johnson: "Wieder und wieder hat Jeremy Corbyn Neuwahlen verlangt. Jetzt wird ihm eine angeboten, aber nun ist er dagegen."
"Johnson hat sich als Lügner erwiesen"
Es ist der Termin der Wahl, um den es der Opposition geht - vor oder nach dem 31. Oktober, dem Datum eines möglichen Brexits, den Johnson weiterhin will. Zwar stehen die Chancen gut, dass der Gesetzentwurf, der den ungeregelten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU verhindern soll, heute das Oberhaus passiert und bereits am Montag in geltendes Recht umgewandt wird.
Aber die Opposition fürchtet, dass die Regierung das Gesetz einfach ignoriert. "Johnson hat sich als Lügner erwiesen, der lieber im Graben sterben würde, als einen harten Brexit zu verhindern", sagte Thornberry. Denn das dürfte er, wenn er die Wahl gewinnen würde. Die Konservative Partei liegt in den Umfragen weit vorn, seit Johnson Premier ist.
Dieser reist unterdessen nach Schottland und besucht auch die Queen auf Schloss Balmoral. Üblicherweise verbringen britische Regierungschefs ein ganzes Wochenende in der königlichen Sommerresidenz, doch wegen des Brexit-Dramas wird es nur eine Stippvisite.