Deutscher und britischer Reisepass
Hintergrund

Sorge wegen Brexit Wo Briten sich neue EU-Pässe besorgen

Stand: 06.01.2019 12:17 Uhr

In weniger als drei Monaten will Großbritannien die EU verlassen. Viele Briten wollen sich mit dem Pass eines anderen EU-Landes absichern. Entsprechende Anträge sind vielerorts stark gestiegen. Ein Überblick.

Deutschland: Die Einbürgerungen von Briten liegen auf Rekordniveau: 2017 erhielten rund 7500 Briten die Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2015 waren es nur 622 gewesen. 2016 - im Jahr des Brexit-Votums - kletterte die Zahl schon auf 2865. Die Briten nahmen 2017 in dieser Rangliste den zweiten Platz ein, mehr Eingebürgerte kamen nur aus der Türkei.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten Ende 2017 etwa 116.000 Briten in Deutschland. Informationen darüber, wie viele Personen insgesamt sowohl die deutsche als auch die britische Staatsangehörigkeit besitzen, lagen nicht vor.

Auffällig ist, dass fast jeder zehnte eingebürgerte Brite 2017 gar nicht in Deutschland lebte. Das ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der mit Abstand höchste Anteil aller EU-Staaten. Bei diesen Briten mit deutschen Pässen handelt es sich überwiegend um Menschen, die vor den Nazis nach Großbritannien fliehen mussten, und um deren Nachkommen. Sie können nach dem Grundgesetz die deutsche Staatsbürgerschaft wieder einfordern.

Nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes gingen im Jahr 2015 noch 43 solcher Einbürgerungsanträge aus Großbritannien ein - 2017 dann schon 1667.

Irisch-nordirische Grenze bei Derrylin

Allein aus Nordirland gab es 2018 etwa 85.000 Anträge auf eine irische Staatsbürgerschaft.

180.000 Briten wollen auch Iren werden

Irland: Auch das Interesse an irischen Pässen ist deutlich gestiegen. Sie sind relativ leicht zu bekommen, wenn man irische Wurzeln hat. Es reicht schon, wenn Großvater oder -mutter in Irland geboren wurden. Nach Angaben der Regierung in Dublin gab es im vergangenen Jahr rund 183.000 Anträge aus Großbritannien - rund die Hälfte davon aus Nordirland. Dort Geborene haben grundsätzlich Anspruch auf beide Pässe. Bei den Anträgen aus dem restlichen Großbritannien gab es einen Anstieg von 22 Prozent im Vergleich zu 2017.

Spanien: Hier gibt es keinen echten Run auf einen EU-Reisepass. Zwar hat sich in den ersten zehn Monaten des Jahres 2018 die Zahl der Briten, die die spanische Staatsbürgerschaft beantragten, im Vergleich zum Gesamtjahr 2015 mehr als verdreifacht. Die absolute Zahl ist mit 166 aber sehr niedrig. Denn Spanien verlangt von allen britischen Neubürgern die Aufgabe der britischen Staatsbürgerschaft. Wer einen Antrag stellt, muss mindestens zehn Jahre im Land gelebt haben. Zudem gibt es mehrere Tests. In Spanien leben mehr als 300.000 Briten, längst nicht alle sind angemeldet.

In Portugal verachtfacht

Portugal: In dem anderen Land auf der iberischen Halbinsel schoss die Zahl der Anträge von 62 im Jahr 2015 auf rund 500 in den ersten elf Monaten des Jahres 2018 hoch. In Portugal dürfen eingebürgerte Briten ihren Pass behalten. Außerdem darf man einen Einbürgerungsantrag schon nach sechs Jahren stellen, der Sprachtest wird als leichter als der in Spanien beschrieben. In Portugal leben etwa 50.000 Briten.

Bulgarien: Rund 40.000 Briten haben sich nach inoffiziellen Angaben in Bulgarien niedergelassen. Nach dem Brexit-Votum bot Regierungschef Boiko Borissow ihnen an, die bulgarische Staatsangehörigkeit zu beantragen. Es liegt aber noch keine Statistik darüber vor, wie viele von ihnen das Angebot annahmen.

Italien: Nach Angaben einer Sprecherin der Initiative British in Italy, die sich nach der Brexit-Abstimmung gegründet hat, leben rund 65.000 Briten in Italien. Es gebe "einen beträchtlichen Anstieg" der Zahl von Briten, die eine Staatsbürgerschaft beantragten. Offizielle Zahlen seien aber kaum zu bekommen. Auch der britische Schauspieler Colin Firth nahm die italienische Staatsbürgerschaft an. Er habe dies als "vernünftigen" Schritt angesichts weltweiter politischer Unsicherheit unternommen. Seine Frau ist Italienerin.

Plötzlich tauchten auch Briten in den schwedischen Statistiken auf

Schweden: Um eine schwedische Staatsbürgerschaft bewarben sich nach Angaben des Migrationswerkes im Jahr 2015 nur 511 Briten. Ein Jahr später waren es mit knapp 1600 Anträgen bereits mehr als dreimal so viele. Mitte 2018 tauchte Großbritannien in den schwedischen Statistiken anders als in den Vorjahren auf Platz 10 der Ursprungsländern der Personen auf, die die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Bis Ende Mai hatten 583 Briten einen schwedischen Pass erhalten.

Estland: Laut Innenministerium bemühte sich zwischen 2015 und 2017 nicht ein einziger Brite um eine Staatsbürgerschaft. Grund sind wohl die strengen Regeln: Bewerber müssen unter anderem mindestens acht Jahre in dem baltischen EU-Land gelebt haben, die letzten fünf davon dauerhaft. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist nur für gebürtige Esten eingeschränkt zulässig. Dafür können Briten estnische E-Bürger werden - dabei handelt es sich allerdings um keinen echten Pass mit allen Rechten, einen Anspruch auf einen physischen Wohnsitz haben E-Bürger beispielsweise nicht. Dafür können sie etwa eine Firma in Estland gründen. Fast 2500 Briten haben sich bereits eine solche elektronische Staatsbürgerschaft gesichert.

In vielen anderen EU-Ländern ist ebenfalls ein deutlicher Anstieg bei den Einbürgerungen zu erkennen, allerdings auf geringem Niveau. So wurden 2015 und 2016 in Österreich jeweils zehn Briten eingebürgert, 2017 waren es laut Statistik Austria 24, in den ersten drei Quartalen von 2018 schon 31. Insgesamt leben laut der Bundesanstalt rund 10.700 Briten in dem Alpenland. Ähnliche Anstiege mit zweistelligen absoluten Zahlen melden Polen, Tschechien und Griechenland.

Quelle: dpa

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. Januar 2019 um 16:00 Uhr.