Bütikofer wird europäischer Grünen-Chef "Ob man das Karriere nennt, ist mir Wurscht"
Reinhard Bütikofer war Bundesgeschäftsführer und Bundesvorsitzender der Grünen - dann ging er ins EU-Parlament und verschwand weitgehend in der medialen Versenkung. Jetzt will er wieder in einen Chefsessel: In Athen wird er heute zum Vorsitzenden der Europäischen Grünen Partei gewählt, in einer Doppelspitze mit der Italienerin Monica Frassoni.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Reinhard Bütikofer kann sich ein Lachen nicht verkneifen: In dieser Woche wird Obama zum US-Präsidenten gewählt, Xi Jinping zum Staats- und Parteichef in China - und Bütikofer zum Chef der Europäischen Grünen. Nein, dieser Posten wird ihn nicht in die Phalanx der mächstigsten Politiker der Welt katapultieren, vielmehr stehen so einige Mühen der Ebene an. "Mich reizt, auch auf grüner, parteipolitischer Ebene die Aufgabe anzugehen, das europäische Integrationsprojekt einen entscheidenden Schritt nach vorne zu bringen", sagt Bütikofer.
Dem europäischen Integrationsprojekt hat sich Bütikofer mit der Wahl ins Europäische Parlament vor drei Jahren ganz in den Dienst gestellt. Zuvor hatte er erst als Bundesgeschäftsführer und dann als Bundesvorsitzender der Grünen zehn Jahre lang in der deutschen Politik ganz oben mitgemischt. "Also, was natürlich in der Bundespolitik viel mehr Spaß macht, ist das man viel mehr in den Medien ist. Hier muss man ja kämpfen, damit man mal interviewt wird."
"Habe in den drei Jahren hier dazugelernt"
Den Sprung nach Brüssel und Straßburg haben daher viele nicht gerade als Karriersprung interpretiert. "Aber ich würde sagen, ich habe hier in den drei Jahren noch was dazugelernt. Ob man das als Karriere bezeichnet, ist mir ehrlich gesagt Wurscht. Ich glaube, ich habe was davon und ich hoffe, die Grünen haben was davon."
Der mittlerweile 59-jährige Badener hat sich nämlich im Europäischen Parlament als Sachpolitiker profiliert: Im Industrieausschuss befasst er sich vor allem mit Rohstofffragen und Ressourceneffizienz. Und er gilt als Experte für die Beziehungen zu den USA und zu China. Aber als Chef der deutschen Grünen-Fraktion spielt er auch seine Stärken als Netzwerker und Brückenbauer aus. "Was mir auch Freude macht ist, dass hier in bestimmten Sachfragen die Kooperation, auch über politische Grenzen hinweg, manchmal sehr ertragreich ist. Und ich kann auch als Vertreter einer kleinen Fraktion - wenn ich mir Mühe gebe und Brücken baue - mit anderen gemeinsam erfolgreich an einem Strang ziehen."
Kein Gegenkandidat
Von seinen Grünen-Kollegen im Parlament wird er jedenfalls wegen seiner ausgleichenden, jovialen Art geschätzt und so fand sich nicht einmal ein Gegenkandidat bei der Wahl zum europäischen Grünenchef. Die Europäische Grüne Partei gibt es seit 2004. 36 Einzelparteien aus 33 Ländern gehören mittlerweile dazu. "Und ich glaube, dass wir da eine ganz gute Dynamik haben. Wir haben positive Entwicklungen auch in europäischen Regionen wo die Grünen lange schwach gewesen sind." Zum Beispiel in Osteuropa. Aber von einer schlagkräftigen politischen Kraft sind die europäischen Grünen natürlich noch meilenweit entfernt. Wie auch die anderen Parteienfamilien - von den Konservativen über die Liberalen und Sozialisten bis zu den Linken.
Bütikofer weiß das und bedauert das - gerade in den jetzigen Krisenzeiten: "Wenn wir ernst machen wollen damit, dass wir zwischen den europäischen Ländern eine stärkere Kooperation wollen, dann müssen wir auch einräumen, dass die europäischen Parteien überhaupt noch nicht dazu aufgestellt sind, in diesen Diskussionen eine Rolle zu spielen. Die Parteifamilien sind da eigentlich abwesend." Es gibt kaum eine gesamteuropäische Sicht, die unterschiedlichen nationalen Kulturen dominieren.
Das Bohren dicker Bretter
Bütikofer möchte nun in seiner neuen Funktion daran arbeiten, dass die Parteienfamilien mehr zum Träger einer Integrationsbewegung werden. Am besten schon 2014 bei der nächsten Europawahl. "Ich hoffe und glaube, dass bei der nächsten Europawahl alle Parteienfamilien jeweils mit gemeinsamen Spitzenkandidaten antreten. Das hielte ich für richtig, dass wir das auch tun." Das allein reiche aber noch nicht. Im Wahlkampf müssten endlich mal die europäischen Themen im Mittelpunkt stehen und nicht mehr das, was die Leute gerade an ihrer nationalen Regierung aufregt.
Und der neue Grünenchef wünscht sich, dass seine Partei da ein Zeichen setzt: "Indem wir sagen, wir bringen auch Leute aus anderen Mitgliedsländern auf unsere Listen, zum Beispiel. Wir führen den Wahlkampf nicht jede Nation für sich, sondern wir versuchen die Kooperation, das Zusammenleben und die Verbindungen zum Thema zu machen." Das hört sich stark nach dem Bohren dicker Bretter an. Aber das ist Reinhard Bütikofer als Politveteran der Grünen ja gewohnt.