Nach Griechenland-Sondergipfel Wenig Konkretes und noch viel Arbeit
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel: Weil das gestrige Treffen keine Ergebnisse brachte, sollen die Euro-Finanzminister am Mittwoch erneut über Griechenland beraten. Die EU hofft dann auf eine Lösung. Doch damit das gelingt, ist noch eine Menge Arbeit zu tun.
Am weitesten lehnte sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus dem Fenster: "Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur unsere Absicht ist, den Entscheidungsprozess in dieser Woche zum Abschluss zu bringen - wir werden den Entscheidungsprozess in dieser Woche zum Abschluss bringen." Solch optimistische Töne hat man in Brüssel nicht gehört, seit in Athen vor fünf Monaten die Linkspartei Syriza die Regierung übernommen hat.
Gipfelchef Donald Tusk schlug ähnlich zuversichtliche Töne an. Mit dem neuen Reformvorschlag der griechischen Regierung, der am Montag morgen endlich in Brüssel eingetroffen war, sei Bewegung in die viel zu lange festgefahrenen Verhandlungen gekommen. "Premierminister Tsipras hat uns versichert, dass Griechenland gewillt sei, ernsthaft und konstruktiv zu arbeiten. Auf dem Gipfel hat sich gezeigt, dass alle Seiten eine Lösung wollen. Die neuen griechischen Vorschläge stellen nach einer ersten Einschätzung der Institutionen einen positiven Schritt nach vorn dar."
Finanzminister tagen am Mittwoch
Nun werden die Institutionen, also die Finanzexperten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF, das Papier noch weiter prüfen und ihre Ergebnisse den Euro-Finanzministern vorlegen. Die werden dafür am Mittwochabend erneut in Brüssel zusammenkommen und versuchen, sich auf eine Bewertung der Vorschläge zu einigen. Die soll dann den Staats- und Regierungschefs auf ihrem nächsten Gipfel am Donnerstag vorgelegt werden. Und dann schließlich sollen die weiteren Kredittranchen ausgezahlt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel würde sich freuen, wenn dieses Szenario Wirklichkeit würde, doch ihre Einschätzung fällt deutlich zurückhaltender aus: "Das was Griechenland heute vorgelegt hat, ist ein gewisser Fortschritt, aber es ist in der Diskussion auch klar geworden, dass noch sehr viel Arbeit zu leisten ist und dass die Zeit dafür sehr kurz ist und dass deshalb unglaublich konzentriert gearbeitet werden muss."
"Wenig Zeit und viel Arbeit"
Man sei noch nicht da, wo man hinkommen müsse. So sieht es auch IWF-Chefin Christine Lagarde: "Im Vorschlag fehlen immer noch viele Details, die wir erwarten, also wir haben wenig Zeit und viel Arbeit."
Was genau im griechischen Vorschlag drin steht und an welchen Stellen da die Geldgeber noch Nachbesserungen erwarten - darüber schwiegen sich die Bundeskanzlerin und die anderen europäischen Führer aus. Dem Vernehmen nach gibt es eine Annäherung bei den Haushaltszielen, also bei der Höhe des zu erwirtschaftenden Überschusses - unter Herausrechnung des Schuldendienstes. Auch habe Athen Reformen beim hochdefizitären Rentensystem und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf etliche Produkte des täglichen Bedarfs in Aussicht gestellt.
Etwas klarer wurde die Kanzlerin bei den Punkten, über die nicht gesprochen worden sei, zum Beispiel über eine Verlängerung des derzeit laufenden zweiten Hilfsprogramms oder über ein sich daran anschließendes drittes Hilfsprogramm. Ebenso über eine mögliche Erhöhung der Kredite aus dem Rettungsfonds oder einen Schuldenschnitt: "Es steht nicht zur Debatte, dass wir Schulden restrukturieren oder ähnliches, sondern wir müssen mit den Finanzmitteln auskommen, die innerhalb des zweiten Programms angelegt sind, weil nach deutschen Recht die EFSF-Mittel nicht erhöht werden können."
Kritik aus Litauen
Die Bereitschaft, den Griechen noch weiter entgegenzukommen, scheint bei der Bundeskanzlerin also begrenzt zu sein. Noch deutlicher wurde die litauische Präsidentin Dahlia Grybauskaite. Sie erinnerte daran, welche schmerzhaften Einschnitte die Litauer zu Beginn der Finanzkrise hinnehmen mussten. "Aber was wir von den Griechen die ganze Zeit hören ist: Gebt uns Geld, wir können dies und das nicht tun. Aber für die Misere tragen doch die Athener Regierungen der letzten Jahrzehnte selbst die Verantwortung. Wir sind bereit zu helfen, so gut wir können, aber wir können nicht einer Regierung helfen, die nicht zu ihrer Verantwortung steht."
Nach dem ersten Sondergipfel steht fest: Ein Selbstläufer wird eine Einigung diese Woche mitnichten. Die Euro-Finanzminister müssen die Vereinbarung Athens mit den Institutionen nämlich einstimmig billigen. Und ohne eine Einigung endet das europäische Hilfsprogramm am 30. Juni und damit die Hoffnung der Griechen auf die Auszahlung der noch ausstehenden Kredite. Was das Land wohl in die Staatspleite treiben würde.