Neue Maßnahmen in England Lockdown zum Erhalt des Gesundheitssystems
Der britische Premierminister Johnson hat einen harten Lockdown für ganz England verkündet. Die Maßnahme soll den staatlichen Gesundheitsdienst NHS vor dem Kollaps bewahren.
In Großbritannien liegen die täglichen Zahlen von Corona-Neuinfizierten inzwischen konstant über 50.000, gestern wurde mit knapp 59.000 ein neuer Rekordwert erreicht. Damit kommen auch mehr und mehr Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen.
Was das bedeutet, hat Chris Hopson beschrieben, der Chef von NHS Providers, einem Dachverband des staatlichen Gesundheitsdienstes. So müssten etwa Kliniken in London und im Südosten Englands in kürzester Zeit ihre Intensivstationen vergrößern. Teilweise sei es darum gegangen, Kapazitäten zu verdoppeln, in manchen Fällen sogar zu verdreifachen.
Behelfskrankenhäuser können keine Abhilfe schaffen
In den letzten Wochen ist es immer wieder vorgekommen, dass Covid-19-Patienten stundenlang im Krankenwagen warten mussten, weil kein Bett für sie frei war. Manche Patienten wurden auch weite Strecken durch England gefahren, um sie zu einer anderen Klinik zu bringen. Eigentlich sollten in diesen Fällen die "Nightingale Hospitals" die Lage entspannen - die Behelfskrankenhäuser, die im Frühjahr in Windeseile unter anderem in Kongresszentren errichtet worden waren.
Dieses Konzept gehe aber nicht auf, stellt der Gesundheitsexperte Professor Chris Ham vom Royal Free Hospital in London fest. Grund dafür sei, dass es zu wenige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Intensivpflege gebe. Professor Ham verweist darauf, dass es schon vor der Pandemie über 100.000 unbesetzte Stellen im staatlichen britischen Gesundheitsdienst NHS gegeben habe und dass es nun noch stärker an Personal fehle, weil Beschäftigte krank seien oder sich selbst isolieren müssten. Für die Nightingale-Krankenhäuser ist damit schlichtweg nicht genügend Personal vorhanden.
Unterfinanzierung des NHS wird schmerzhaft deutlich
In Großbritannien wird nun schmerzlich spürbar, was seit Langem bekannt ist: dass der NHS unterfinanziert ist. Inzwischen wird davor gewarnt, dass er schon in wenigen Wochen in zahlreichen Regionen überfordert sein könnte, zumal davon ausgegangen wird, dass wegen des mutierten Corona-Virus die Zahl der Patienten weiter steigen wird. Das mutierte Virus gilt als deutlich infektiöser als das ursprüngliche, wodurch sich vergleichsweise mehr Menschen anstecken und erkranken.
Schon jetzt liegen mehr Patienten mit Covid-19 im Krankenhaus als auf dem Höhepunkt der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020. Allein in England sei die Zahl in der letzten Woche um fast ein Drittel auf knapp 27.000 gestiegen, teilte Boris Johnson gestern Abend mit. Diese Zahl sei 40 Prozent höher als der erste Höchstwert im vergangenen April, so der Premier.
Neue Lockdowns in England und Schottland
Angesichts dieser Lage hat Johnson in einer Fernsehansprache an die Nation einen neuen Lockdown für England verkündet. Das Gleiche hatte zuvor auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon für Schottland getan. Damit bleiben Schulen geschlossen oder werden geschlossen. Die Ansage ab heute lautet wieder: "Stay at home" - "Bleiben Sie zu Hause".
Der britische Premierminister Boris Johnson hat einen erneuten harten Lockdown verkündet.
Mit dieser Vorgabe waren die Briten in den ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr gestartet. Bei manchen schleicht sich damit das Gefühl ein, wieder an dem Punkt zu sein, an dem Großbritannien schon vor knapp einem Jahr war. Dem hat Premier Johnson aber widersprochen.
Johnson um Optimismus bemüht
Mit Blick auf die Impfungen, die in Großbritannien vor vier Wochen begonnen haben, sagte er wörtlich: "Wir beginnen gerade mit dem größten Impfprogramm unserer Geschichte. Bisher haben wir im Vereinigten Königreich mehr Menschen geimpft als der Rest Europas insgesamt." Mit der Verfügbarkeit des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs könne das Programm weiter beschleunigt werden.
Bis Mitte Februar sollen die Personen in den vier höchsten Risikogruppen eine erste Impfdosis erhalten haben. Zu den Gruppen gehören Alten- und Pflegeheimbewohner und ihre Pflegerinnen und Pfleger, über 70-Jährige, gefährdetes medizinisches Personal und Personen, die aufgrund von Vorerkrankungen ein besonderes Risiko haben. Mit der Impfung von mehr und mehr Personen werde es dann auch möglich sein, die Restriktionen wieder zu lockern, versuchte Johnson einen positiven Ausblick zu geben. Aber die kommenden Wochen würden zunächst einmal die härtesten werden.