EuGH entscheidet im Fall eines Flüchtlings Prüfen statt Abschieben
Wenn ein EU-Staat Asylbewerber besonders schlecht behandelt, können andere EU-Staaten gezwungen sein, über deren Asylanträge zu entscheiden - auch wenn sie normalerweise nicht zuständig wären. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Von Daniel Pokraka, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Nein, es ist keine Wende in der EU-Asylpolitik. Nach wie vor gilt grundsätzlich: Dort, wo ein Asylsuchender zum ersten Mal EU-Boden betreten hat, muss er seinen Asylantrag stellen. Aber es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Flüchtling in einem bestimmten Staat Gefahr läuft, unmenschlich behandelt zu werden.
Genau darum ging es in dem Fall, anhand dessen die Luxemburger Richtern zu entscheiden hatten: Ein Iraner war illegal in die EU gereist - zunächst nach Griechenland, dann weiter nach Deutschland. Die deutschen Behörden schickten ihn zurück nach Griechenland. Dagegen erhob der Mann Einspruch mit der Begründung, das griechische Asylverfahren habe Mängel und er laufe Gefahr, dort unmenschlich behandelt zu werden. Er bekam Recht und durfte wieder nach Deutschland reisen.
Deutsche Behörden dürfen, aber müssen den Antrag nicht prüfen
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bat den EuGH um Hilfe. Heute dann kam die Antwort der Luxemburger Richter. Sie sagen: In einem Fall wie diesem dürfen auch die Behörden des Landes den Asylantrag prüfen, in das der Asylsuchende nicht zuerst gereist ist - im vorliegenden Fall also Deutschland. Aber: Sie müssen nicht. Der Asylsuchende hat keinen Anspruch darauf, dass sein Antrag in einem Staat seiner Wahl geprüft wird.
Sagen die Behörden wie in diesem Fall Nein, dann müssen sie allerdings einen anderen Staat finden, der den Antrag prüft. Ist der Asylsuchende minderjährig, kann das zum Beispiel ein Staat sein, in dem Verwandte von ihm leben. Oder irgendein anderer EU-Staat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde. Eigentlich darf es nach EU-Recht nur einen Asylantrag geben. Dass mehrere gestellt werden, kann aber vorkommen.
EU-Asylrecht ist umstritten
Die Asylpolitik der EU steht immer wieder in der Kritik. Von der "Festung Europa" ist oft die Rede, Die Mitgliedsstaaten im Süden fühlen sich mit den Flüchtlingen zunehmend allein gelassen. Nach EU-Recht ist ja zum Beispiel allein Italien für die Menschen verantwortlich, die aus Afrika geflohen und auf der Insel Lampedusa angekommen sind. Doch die Staaten im Norden - darunter auch Deutschland mit Bundeskanzlerin Merkel - wollen diese Regel grundsätzlich beibehalten.
(AZ. C-4/11)