EU-Treffen zum Flüchtlingsstreit Merkels und Europas Schicksalswoche
In Brüssel kommen Vertreter aus 16 EU-Staaten zusammen, um eine Lösung für den Flüchtlingsstreit zu finden. Es ist der Auftakt zu Merkels und Europas Schicksalswoche. Sie beginnt mit Ungewissheit.
So viel stand selten auf dem Spiel bei einer EU-Krisensitzung: Es ist der Beginn einer Schicksalswoche für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, aber auch für die Europäische Union als Ganzes. Ohne eine ebenso zügige wie europäische Lösung des Flüchtlingsstreits droht der Zusammenbuch der Koalitionsregierung ebenso wie das Ende des Schengen-Systems offener Grenzen in der EU.
"Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für nationalen Kummer, jetzt ist der Zeitpunkt für einen europäischen Ansatz", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Er hatte zu dem Sondertreffen eingeladen, bei dem es für die deutsche Kanzlerin in erster Linie darum gehen dürfte, Abkommen mit anderen EU-Staaten zu schmieden.
Diese betreffen genau jenes Thema, um das der Streit zwischen CDU und CSU tobt. Ziel beider Parteien ist die schnellere Rückführung von Asylsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind. Nur will die bayrische Schwesterpartei dies notfalls im Alleingang mit Grenzschließungen erreichen.
Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer. Das Verlangen, mit Deutschland zügige Vereinbarungen zu treffen, ist begrenzt.
Italien drohte
Kanzlerin Merkel sucht europäische Lösungen. Sie wird nicht müde, diesen Ansatz zu betonen. "Bei allem was wir tun, so unsere Überzeugung in der CDU, müssen wir deutsche und europäische Interessen gemeinsam vertreten“, sagt sie.
Doch das Verlangen, mit Deutschland zügige Vereinbarungen zu treffen, ist - milde ausgedrückt - begrenzt. Das von Rechtspopulisten regierte Italien kündigte bereits an, keinen einzigen Flüchtling zurückzunehmen. Es drohte zwischendurch gar, das Sondertreffen vor dem Gipfel ganz platzen zu lassen.
"Eine Phase gigantischer Probleme"
Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos warnte vor einem Scheitern der Zusammenkunft. "Wenn wir keinen Ausweg finden, begeben wir uns in eine Phase gigantischer Probleme, die das europäische Projekt insgesamt untergraben könnten", sagte er.
Mehr als die Hälfte der 28 EU-Staaten, nämlich 16, hatten für das ursprünglich als "Minigipfel" geplante Treffen zugesagt. Demonstrativ abwesend sind jedoch Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei - die sogenannten Visegrad-Staaten, die einen europäischen Kompromiss seit Monaten mit ihrer Weigerung unmöglich machen, sich auf eine Flüchtlingsverteilung einzulassen.
Macron wirbt für "geschlossenen Zentren"
Doch nun kursieren neue Vorschläge, die durchaus auch dafür gedacht sein dürften, die Vertreter einer harten EU-Linie zu gewinnen. Der französische Staatspräsident Macron warb dafür, in Europa ankommende Migranten in "geschlossenen Zentren" unterzubringen und dann zügig zu ermitteln, ob es sich um Wirtschaftsflüchtlinge oder Schutzbedürftige handelt. "Es geht darum, Nicht-Asylberechtigte schnell zurückzuschicken und die Aufnahme der anderen untereinander aufzuteilen", sagt Macron.
Der Vorschlag ähnelt jenem, den EU-Ratspräsident Donald Tusk in die vorbereitete Abschlusserklärung für das eigentliche Gipfel-Treffen Ende der kommenden Woche schreiben ließ. Nur dass Tusk für Auffanglager außerhalb des EU-Gebiets - also etwa in Nordafrika oder dem Balkan - warb. Macron kann sich die auch in EU-Staaten selbst vorstellen.
Doch noch sind viele Fragen ungeklärt - rechtliche wie praktische. Und selbst wenn man in dem Streitpunkt eine Einigung erzielt: Der Vorschlag vermag den EU-internen Streit über das Thema Migration vielleicht übertünchen, ihn auszuräumen dürfte so schnell kaum gelingen. Merkels und Europas Schicksalswoche beginnt mit jeder Menge Ungewissheit.