EU-Kommissionsvorsitz Viele sind gegen sie, aber ...
Politiker der Grünen und der Linken im EU-Parlament sind gegen die Wahl von der Leyens als EU-Kommissionschefin. Auch die deutschen Sozialdemokraten lehnen sie ab. Doch die CDU-Politikerin kann sich bei der Wahl am Dienstag Hoffnungen machen.
Das Europaparlament stimmt am kommenden Dienstag um 18.00 Uhr über Ursula von der Leyen als nächste Präsidentin der EU-Kommission ab. Das teilte ein Sprecher des Parlaments mit. Ob die CDU-Politikerin dabei die erforderliche Mehrheit erhalten wird, ist noch nicht sicher.
SPD macht Stimmung gegen von der Leyen
SPD-Bundestagsfraktionsvize Achim Post forderte die Abgeordneten des Europaparlaments auf, von der Leyen bei der Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin durchfallen zu lassen. "Das Europäische Parlament sollte nächste Woche den Vorschlag der Regierungschefs ablehnen", sagte Post den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Es sei "niemandem vermittelbar, dass erst Spitzenkandidaten zur Wahl aufgestellt werden und dann nach der Wahl nicht ein einziger von ihnen überhaupt einmal dem Europäischen Parlament vorgeschlagen" werde. "Statt sich von ihren jeweiligen Regierungschefs auf Gipfel-Linie einordnen zu lassen, sollten die Europaparlamentarier jetzt eigenständig im Sinne ihres parlamentarischen Mandats entscheiden."
Aktuelle und frühere Anschuldigungen
Auch die SPD-Abgeordneten im EU-Parlament versuchen, die CDU-Politikerin als Präsidentin der EU-Kommission zu verhindern. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete, ließ der deutsche Gruppenchef Jens Geier vor dem Treffen von der Leyens gestern mit der Fraktion der europäischen Sozialdemokraten ein Papier verteilen, in dem zahlreiche aktuelle und frühere Anschuldigungen gegen die derzeitige Bundesverteidigungsministerin aufgelistet sind. Es ist überschrieben mit den Worten: "Warum Ursula von der Leyen eine unzulängliche und ungeeignete Kandidatin ist."
In dem zweiseitigen, in englischer Sprache verfassten Text werden unter anderem die Berateraffäre um den Einsatz externer Fachleute bei der Modernisierung der Bundeswehr und die "Kostenexplosion" bei der Sanierung des Marineschulschiffes "Gorch Fock" genannt. Zudem thematisieren die Autoren noch einmal den nach einer langen Prüfung ausgeräumten Vorwurf, wonach von der Leyen wegen Plagiaten in ihrer Dissertation zu Unrecht einen Doktortitel führt.
Die Linkspartei will von der Leyen ebenfalls die Unterstützung verweigern. Die Antworten der CDU-Politikerin auf Fragen in seiner Fraktion seien "unzureichend" gewesen, erklärte der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan. Die CDU-Politikerin habe "keine Vision", die "auf sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten" basiere.
Mögliche Stimmen von Sozialdemokraten und Grünen
Dennoch kann von der Leyen auf eine knappe absolute Mehrheit bei der Abstimmung in der kommenden Woche im Europaparlament hoffen. Die Unterstützung der Konservativen und Liberalen ist ihr sicher. Darüber hinaus sind viele spanische Sozialdemokraten auf ihrer Seite. Die spanische Fraktionsvorsitzende Iratxe García teilte mit, die Sozialdemokraten im Parlament wollten in der kommenden Woche ihre Position für die Abstimmung festlegen.
Möglicherweise erhält von der Leyen auch Stimmen von den Grünen. Zwar zeigte sich die Fraktion entschlossen, gegen von der Leyen zu stimmen. Ko-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl, Ska Keller, sagte, die Grünen seien "für Wandel in Europa" gewählt worden. Das sei mit von der Leyen nicht möglich. "Deshalb werden wir ihre Kandidatur nicht unterstützen." Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold sagte, Europa brauche eine stärkere, klarere Kommissionspräsidentin.
Dennoch begrüßen einige britische Grünen-Abgeordnete jedoch von der Leyens Angebot, der Regierung und dem Parlament in London mehr Zeit zu geben, um einen harten Brexit ohne Ausstiegsvertrag zu verhindern. Die Grünen stellen die viertgrößte Fraktion im EU-Parlament.
EU-Parlament unter Zeitdruck
Von der Leyen sprach gestern vor den Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im Europaparlament. Den drei Fraktionen bot sie eine engagierte Zusammenarbeit an. Sie sprach sich für eine CO2-Steuer aus, bekannte sich zur klimaneutralen Industrieproduktion bis 2050 und gab ein Plädoyer für Mindestlöhne in der gesamten EU ab. Darüber hinaus befürwortete sie eine neue EU-Schiffsoperation "Sophia", um an der Seenotrettung im Mittelmeer mitzuwirken.
Das EU-Parlament konnte sich bisher nicht auf eine personelle Alternative zu von der Leyen einigen. Wegen der nahenden Sommerpause und wegen des nahenden Brexits läuft den Abgeordneten nun die Zeit davon. Die Abstimmung wird nach derzeitigem Stand am kommenden Dienstag stattfinden.