EU-Parlament zur Türkei Einfrieren statt abbrechen
Der türkische Präsident Erdogan hat das morgige Votum des Europaparlaments bereits für bedeutungslos erklärt. Die Abgeordneten stimmen darüber ab, ob sie die Beitrittsverhandlungen mit dem Land "zeitweise einfrieren" wollen. Die Gespräche wären damit aber nicht zu Ende.
Der genaue Wortlaut ihrer Türkei-Erklärung war bislang noch offen - jetzt haben sich die großen Fraktionen im EU-Parlament auf einen gemeinsamen Text geeinigt: Darin findet sich die Forderung nach einem "zeitweisen Einfrieren der laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei". Abgestimmt wird über den Antrag im EU-Parlament morgen. Eine breite Mehrheit gilt als sicher.
Damit ruft das EU-Parlament also dazu auf, bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eine Pause einzulegen. Es fordert nicht, diese ein für allemal zu beenden. Die Parlamentarier sagen zu, ihre Position zu überdenken, sollte der Ausnahmezustand in der Türkei aufgehoben werden. Trotzdem gilt der Aufruf als heikel: Kritiker warnen, bei einem Einfrieren der Gespräche drohe die EU den letzten Rest an Einfluss auf Präsident Recep Tayyip Erdogan zu verlieren.
Keine unmittelbare Wirkung der Parlamentsabstimmung
Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission oder die Mitgliedstaaten der Forderung der Abgeordneten nachkommen, gibt es bislang nicht. Beschließen kann nämlich das EU-Parlament das Einfrieren der Türkei-Gespräche nicht. Es kann also allenfalls mit der Forderung danach ein Zeichen setzen.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stellte gestern in Straßburg noch einmal klar, dass aus ihrer Sicht beide Seiten, die EU und die Türkei, verlieren würden, wenn der Beitrittsprozess an sein Ende komme. Und die EU-Einzelstaaten hatten in ihrer gemeinsamen Erklärung unlängst zwar die Vorgänge in der Türkei scharf kritisiert, aber keine konkrete Drohung an die Adresse der Regierung in Ankara ausgesprochen.
Der türkische Präsident Erdogan stellte klar, dass er der bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament keinerlei Bedeutung beimesse. "Diese Abstimmung hat für uns keinen Wert", sagte er bei einer Wirtschaftskonferenz islamischer Staaten. Schon dass es im Europaparlament eine solche Abstimmung gibt, zeige, dass es Terrororganisationen in Schutz nehme und sich an deren Seite stelle, kritisierte Erdogan. "Der Kampf dieses Landes für seine Stabilität und Zukunft wird nicht unterbrochen vom Heben und Senken der Hände", fügte er mit Blick auf die Abstimmung in Straßburg hinzu.
Bei all dem ist eine rote Linie von Seiten der EU gezogen: Führt Ankara die Todesstrafe wieder ein, wären die Beitrittsgespräche beendet. Daran wird auch in der Erklärung, die nun im EU-Parlament zur Abstimmung steht, noch einmal erinnert.