Kampf um Spitzenpositionen EU-Gipfel sucht Lösung im Postenpoker
Fünf Brüsseler Topjobs sind zu vergeben. Seit der Europawahl Ende Mai hat sich nur wenig bewegt. Dass der EU-Gipfel den Durchbruch bringt, ist unwahrscheinlich - zu konträr sind die Interessen.
Schnell sollte es gehen. Eigentlich wollten Merkel, Macron und Co. bei diesem Gipfel das Personalthema abhaken. Eigentlich. Denn daraus wird wohl nichts. Die Sache ist einfach zu kompliziert - was an den unübersichtlichen Mehrheitsverhältnissen im Europaparlament liegt.
Und daran, dass gleich fünf europäische Topjobs zu vergeben sind - vom Chef der EU-Kommission über den Außenbeauftragten, den Rats-Präsidenten und den Parlamentspräsidenten bis hin zum Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Und wie das nun mal so ist: Es hängt alles mit allem zusammen.
Janis Emmanouilidis, Direktor beim Brüsseler Zentrum für Europapolitik, vergleicht die Situation mit einem Wollknäuel, das es zu entwirren gilt: "Alle diese Posten werden als Paket verabschiedet, das macht es schwieriger. Aber, wenn man hier einen Anfang findet, dann wird sich das am Ende auch alles fügen. Das braucht seine Zeit."
Vielleicht findet ja der amtierende Ratspräsident Donald Tusk diesen Anfang. Er soll jedenfalls einen Vorschlag machen, mit dem am Ende alle zufrieden sind - und zeigt sich in seiner Einladung zum heutigen Treffen vorsichtig optimistisch. Obwohl diese Aufgabe kaum zu lösen ist. Dafür sind zu viele unterschiedliche Interessen im Spiel.
Wer wird was? Manfred Weber und Frans Timmermanns konkurrieren um das Amt des Kommissionschefs der EU.
Kandidaten-Puzzle - Merkel und Macron unter Druck
Vor allem Angela Merkel steckt in der Klemme. Die Bundeskanzlerin ist für den EVP- Kandidaten Manfred Weber als Kommissionschef. Ihr Regierungspartner SPD spricht sich aber für den Niederländer Frans Timmermans aus. Und Frankreichs Präsident Emanuel Macron will zusammen mit den Benelux-Ländern Weber verhindern, um die Vormachtstellung der Konservativen zu knacken und die dänische Liberale Margrethe Vestager durchzusetzen.
Merkel hofft trotzdem auf einen Kompromiss. Und hat schon beim Gipfel vor drei Wochen davor gewarnt, sich zu sehr zu zerstreiten: "Wie wir heute pfleglich miteinander umgehen, wird für morgen entscheiden, ob wir wirklich handlungsfähig sind", sagte sie damals.
Streit um Weber
Und dann droht auch noch eine Machtprobe mit dem Parlament. Denn die Abgeordneten wollen wie vor fünf Jahren nur einen der Spitzenkandidaten als Nachfolger von Jean-Claude Juncker wählen. Wofür Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel, gelinde umschrieben, nur begrenztes Verständnis hat. Die Debatte um Spitzenkandidaten sei ein Scherz, sagte er aufgebracht. Er bezweifle, dass die Menschen in den 28 EU-Ländern für die christlich soziale Volkspartei gestimmt hätten, weil sie Weber zum Kommissionspräsident haben wollten.
Weber sieht das naturgemäß ganz anders. Er pocht als Kandidat der größten Parteienfamilie auf seinen Führungsanspruch und sucht im Parlament Verbündete. Der Chef der Europäischen Grünen Reinhard Bütikofer verlangt im Gegenzug inhaltliche Zugeständnisse. Vor allem beim Thema Klimaschutz.
Auch beim Gipfel wird der Kampf gegen den Klimawandel eine Rolle spielen - offen ist, ob sich alle EU-Staaten zum CO2-neutralen Wirtschaften bis 2050 bekennen. Vor allem in Osteuropa wird dieses Ziel kritisch gesehen.
Einigung in Sachen EU-Finanzen in weiter Ferne
Und sonst? Geht es um Reformen für den Euro, damit die Gemeinschaftswährung krisenfester wird. Der Rettungsfonds ESM soll künftig schon vorbeugend helfen, damit Länder erst gar nicht in Schwierigkeiten geraten. Beim geplanten Extra-Haushalt für die Euroländer muss der Gipfel entscheiden, ob und wie es weitergeht. Frankreichs Staatspräsident Macron wollte für das Eurozonenbudget jedes Jahr dreistellige Milliardenbeträge loseisen. Davon ist aber schon längst keine Rede mehr. Im Gespräch sind stattdessen 17 Milliarden, verteilt auf sieben Jahre. Nicht viel mehr als ein Symbol. Und die gemeinsame EU-weite Einlagensicherung für Sparguthaben liegt nach wie vor in weiter Ferne, genauso wie eine Einigung über die EU-Finanzen für die nächsten Jahre. Das heißt: Sowohl in Sachen Personal als auch in Sachen Geld wird dieser Gipfel nicht der letzte sein.