Zahlungen an Türkei EU streitet über Flüchtlingsdeal
Der Türkei bringt das Flüchtlingsabkommen mit der EU Milliarden. In Brüssel tobt nun ein interner Streit, wer die nächsten Zahlungen übernimmt: die EU oder die Mitgliedsstaaten.
Es war die einzige konkrete Zusage eines ansonsten vollkommen ergebnisarmen Gipfeltreffens: Als die EU-Spitzen am Montag vergangener Woche mit dem türkischen Staatspräsidenten an der bulgarischen Schwarzmeerküste zu Abend aßen, verbrachten sie zunächst viel Zeit damit, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die mittlerweile sehr lange Sorgen-Liste der EU vorzutragen.
Doch schließlich versprachen sie, die im Rahmen des Flüchtlingspakts zugesagte zweite Rate von Geldern zu überweisen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte: "Das ist Beschluss der Kommission. Wir stehen bereit, weitere drei Milliarden für die nächsten zwei Jahre in Aufstellung zu bringen."
Streit droht zu eskalieren
Die erste Rate von ebenfalls drei Milliarden ist nach EU-Angaben bereits aufgebraucht. Sie wurde zu einem Drittel von der EU übernommen und zu zwei Dritteln von den Mitgliedstaaten. Nun geht es also um die zweite Tranche. Bekannt ist seit längerem, dass hinter den Kulissen hart darum gerungen wird, wer genau welchen Anteil der Rechnung begleicht. Laut "Spiegel" droht dieser Streit nun zu eskalieren: Denn eine ganze Reihe von Einzelstaaten - darunter Deutschland - will das Geld doch aus dem EU-Budget entnommen wissen. Die Brüsseler Kommission hingegen beharrt darauf, dass die Mitgliedsstaaten die Hauptlast der Kosten schultern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ging nach dem letzten EU-Gipfel nicht ins Detail, bestätigte lediglich, dass die EU zu dem Flüchtlingsabkommen stehe: "Wir wissen, dass hier eine zweite Tranche von drei Milliarden Euro bereit zu stellen ist. Darüber haben wir gesprochen und uns dazu auch bekannt."
Aus wessen Kasse das Geld entnommen werden soll, sagte Merkel nicht. EU-Diplomaten bestätigen dem ARD-Studio Brüssel jedoch, dass hier in der Tat noch Uneinigkeit zwischen EU-Kommission und Staaten herrscht.
EU-Kommissionschef Juncker versprach in Warna, zu den Verpflichtungen der EU zu stehen und das Geld an die Türkei zu überweisen.
Gelder für Hilfsprojekte
Fest steht, dass es sich bei diesen Milliarden nicht etwa um Geld handelt, das geradewegs in die türkische Staatskasse fließt. Vielmehr werden in Zusammenarbeit etwa mit Hilfsorganisationen Projekte ermittelt, die den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen zugute kommen sollen. "Wenn wir am Ende bedenken, dass die Türkei rund 30 Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgegeben hat, dann sind zwei Mal drei Milliarden von der EU eher so etwas wie ein Tropfen im Ozean", meint die Türkei-Expertin Amanda Paul von der Denkfabrik "European Policy Center".
Der vor etwas mehr als zwei Jahren besiegelte Flüchtlingsdeal mit Ankara beruht letztlich auf einem Tauschgeschäft: Die Türkei verhindert, dass syrische Flüchtlinge in die EU weiterreisen. Die Europäische Union legt dafür Milliarden auf den Tisch. Gleichzeitig versprach sie darüber hinaus auch eine Wiederbelebung der Beitrittsverhandlungen sowie Bewegung in der Frage des visa-freien Reisens für Türken.
Doch in diesen beiden Punkten bewegt sich derzeit so gut wie nichts. Es ist nicht auszuschließen, dass dies noch zu Streit mit Erdogan führt - zusätzlich zu dem, den die EU gerade intern über die Finanzierung führt. Denn dass die Europäer den aus ihrer Sicht funktionierenden Flüchtlingspakt unbedingt werden retten wollen, gilt als ausgemacht.