EU-US-Beziehungen Im Stresstest-Modus
Schon mehrmals hat Trump gezeigt, wie wenig er sich um die Meinung der Europäer schert. Die Strafzölle sind nur das jüngste Beispiel dafür, wie seine Politik USA und EU voneinander entfremdet.
Alles begann mit einem Anruf: Schon vor seinem Amtsantritt telefonierte der gewählte US-Präsident Donald Trump mit Brüssel. Und hatte dort EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Leitung. "Und? Wer ist der nächste?", soll Trump nach Angaben von EU-Offiziellen gefragt haben. In dem festen Glauben, dass nach dem Brexit der Briten bald weitere Staaten die Europäische Union verlassen würden. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass mit diesem Mann im Weißen Haus die EU-US-Beziehungen einem bisher ungekannten Stresstest unterzogen würden.
Anfang 2017, kurz nach Trumps Amtsantritt, warnte EU-Ratspräsident Donald Tusk: "Die neue geopolitische Situation ist eine Herausforderung für uns. Sie kann zu einer echten Bedrohung werden, wenn wir Europäer nicht einig genug sind." Und in der Tat sollte sich schnell herausstellen, dass der neue Mann im Weißen Haus auf dem europäischen Ohr einigermaßen taub sein würde.
Gelder für Klimaprojekte laufen aus
Trump scherte sich nicht um das Flehen der Europäer, doch bitte nicht aus dem Welt-Klimaabkommen auszusteigen. Die Auswirkungen der Entscheidung vom Juni 2017, sagen Entwicklungsexperten, würden erst jetzt langsam spürbar: Gelder für Klimaprojekte in Afrika und anderen Krisenregionen laufen nun aus. Fast noch schlechter als über das Klimaabkommen redete Trump über einen anderen - aus Sicht der Europäer historischen - Deal: das Atomabkommen mit dem Iran.
Dabei betonte erst kürzlich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, dass der Iran-Deal funktioniere. "Er hält, was er verspricht, sein Hauptziel betreffend: Nämlich das iranische Nuklearprogramm unter Kontrolle zu halten." Doch Trump hält das Abkommen für "beschämend". Steigen die USA auch aus diesem Projekt aus, was durchaus möglich ist, sehen die Europäer dadurch ihre Sicherheit gefährdet.
Doppel-Ziel im Umgang mit den USA
Der US-Präsident hörte auch nicht auf die EU, als die ihm nahelegte, Jerusalem nicht einseitig als Israels Hauptstadt anzuerkennen. Dass Trump mit der Abrissbirne an das Erbe seines Vorgängers Obama herangeht, ist offensichtlich. Doch selbiges tut er auch mit den Beziehungen zu Europa, beklagen Kritiker. Die Frage ist: Was tun, EU?
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kürzlich: "Die Umstände bringen es mit sich, dass wir uns um Weltpolitik-Fähigkeit bemühen müssen." Eine Abwandlung des Merkel-Satzes, dass die Europäer ihr Schicksal mehr in die eigenen Hände nehmen müssten.
Doch der Illusion zu erliegen, dass sich die EU völlig von den USA abnabeln könnte, hält der Direktor des Holbrooke-Forums an der American Academy, Jan Techau, für fahrlässig. "Das ist keine Option", sagte er dem ARD-Studio Brüssel. "Wie sollten denn die Europäer den Stabilitätsbeitrag ausgleichen, den Amerika leistet? Die Europäer werden keinen eigenen Nuklearschirm aufbauen, der sie von nuklearer Erpressung freihält."
Derzeit sieht es so aus, als würde die EU ein Doppel-Ziel im Umgang mit den USA verfolgen: Sie arbeitet an einem stärkeren Europa und versucht gleichzeitig, eine Schwächung der transatlantischen Kanäle so gut es geht zu vermeiden. Einfach ist das mit einem "America-First"-Präsidenten nicht. Niemand weiß, wie weit die beiderseitig Entfremdung noch gehen wird.