Verteidigungskooperation "PESCO" Militärkoalition der Willigen
Es könnte der Grundstein für eine EU-Verteidigungsunion werden: Außen- und Verteidigungsminister haben ein Papier unterzeichnet, das gemeinsame Militärprojekte im großen Stil möglich macht. Das bedeutet aber auch neue Verpflichtungen.
Dem etwas kalt und technisch klingenden Begriff "PESCO" - die Abkürzung des englischen Titels "Permanent Structured Cooperation" - versucht EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gerne etwas Bürgernähe zu verleihen: Er sprach ein ums andere Mal vom "Dornröschen" oder auch der "schlafenden Schönheit" der europäischen Verteidigungspolitik. Die also wird nun von den Einzelstaaten der Europäischen Union sozusagen wachgeküsst.
Hinter dem Begriff "PESCO" verbirgt sich letztlich nichts anderes, als dass sich eine Gruppe von EU-Staaten zusammenschließt, um in Verteidigungsfragen eine Art Koalition der Willigen zu bilden, die schneller voranschreitet als andere: "Es gibt Bereiche, in denen wir mehr Europa brauchen", fordert der Direktor des Egmont-Instituts, Sven Biscop. "Diejenigen, die das wollen, sollten nicht zurückgehalten werden von denen, die sagen: Noch nicht oder vielleicht später."
20 EU-Staaten kooperieren stärker bei Militärprojekten
Nicht alle EU-Staaten - aber immerhin 20 oder mehr - werden zunächst Teil der "PESCO" sein. Deren Ziel ist es nun, konkrete Projekte gemeinsam zu verwirklichen. Dazu könnten die Entwicklung einer europäischen Drohne, einer fliegenden Krankenstation oder eines europäischen Kampfjets zählen - militärische Ausrüstung also, die ein Staat alleine wohl kaum zu stemmen in der Lage wäre.
"Im Falle des Kampfjets könnte man zum Beispiel entscheiden: Deutschland kauft 50, Frankreich ebenfalls, andere ein paar weniger", erläutert Biscop im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. "Die gehören den Staaten dann auch. Aber alles, was damit zusammenhängt - die Luftwaffenbasis, Wartung, Training für die Piloten, Luftraumkontrolle - können sie verschmelzen und so sehr viel Geld sparen."
Pflicht: Verteidigungsausgaben steigern
Jedes Land, das zur Gruppe der Pioniere in Sachen EU-Verteidigungspolitik zählen will, muss eine Reihe von Anforderungen erfüllen. So müssten die Militärausgaben regelmäßig gesteigert werden, heißt es in dem Bedingungskatalog. Allerdings ist diese Vorgabe nicht mit einer genauen Zahl versehen.
Aber das ist noch lange nicht alles: "Jeder, der bei PESCO mitmacht, verpflichtet sich, an mindestens einem großen Rüstungsprojekt teilzunehmen", sagt Biscop.
Und schließlich wird ebenfalls zur Bedingung gemacht, dass die Teilnehmer ihre Kräfte leichter verfügbar und schneller verlegbar machen - damit soll die EU für ihre Operationen einfacher auf Truppen der Einzelstaaten zurückgreifen kann. Was auch in Deutschland und einer möglichen Jamaika-Koalition noch für Diskussionsstoff sorgen könnte.
Entscheidung nach Brexit und Trump-Wahl
Jedenfalls trieben Berlin und Paris die "PESCO"-Pläne federführend voran. Die Brexit-Entscheidung der Briten und erst recht die Trump-Wahl in den USA haben offenbar bewirkt, dass die EU glaubt, sich nicht mehr so leicht militärisch hinter dem breiten Kreuz anderer verstecken zu können und selber mehr tun zu müssen.
Verteidigungsministerin von der Leyen hält eine Verteidigungsunion für den richtigen Schritt.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach kürzlich von historischen Momenten. "Begonnen hat das einst 1954, ist krachend gescheitert 1958. Dann lag das Jahrzehnte brach." Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, "dass Europa voranschreitet mit der Sicherheits- und Verteidigungsunion".
Schritt hin zur EU-Armee?
Zwei Fragen drängen sich auf: Ist es der EU wirklich zuträglich, wenn sie demnächst militärisch in zweierlei Geschwindigkeit Richtung Zukunft schreitet? Und: Wo endet das, was nun mit der "PESCO" beginnt?
Nicht wenige Experten sehen darin nämlich einen ersten, wenn auch vorsichtigen, Schritt hin zu einer echten EU-Armee. Die im Sinn zu haben, streitet man allerdings in Berlin ebenso vehement ab wie in Brüssel oder Paris.