Militärausgaben Widerstand gegen EU-Verteidigungsfonds
Mit einem Verteidigungsfonds will die EU ihre Militärausgaben erhöhen und besser zusammenarbeiten. Doch die USA torpedieren das Vorhaben. Dabei geht es offenbar um Zugang für die US-Waffenindustrie.
Kaum ein NATO-Treffen vergeht, bei dem die Europäer nicht auf der Anklagebank sitzen. Zu niedrige Ausgaben für das Militär, so lautet regelmäßig der Vorwurf der USA - nicht erst seit Trump, auch schon unter Obama. Jetzt reibt man sich in Brüssel die Augen: Ausgerechnet Washington kritisiert die Versuche der EU, die Rüstungspolitik mit einem Europäischen Verteidigungsfonds auf eigene Füße zu stellen: "Derzeit erleben wir, dass die Amerikaner ziemlich Druck machen, weil sie befürchten, dass sie nicht ausreichend einbezogen sind. Das ist durchaus auch der Fall. Aber das ist nicht unsere Schuld", sagt Michael Gahler.
Er ist Europaabgeordneter und in der konservativen EVP-Fraktion zuständig für Sicherheitspolitik. Gahler gehört im Parlament zu den Abgeordneten, die den Europäischen Verteidigungsfonds vorangetrieben haben. Zuerst versuchte Washington, den Verteidigungsfonds zu verhindern, so Gahler, jetzt bestehe man darauf, dass auch amerikanische Rüstungsunternehmen Zugang zu den Fördermilliarden bekommen.
Wenn man sich die Summen anschaut, die die USA für Forschung und Rüstung ausgeben und wir hier 13 Milliarden Euro über sieben Jahre verteilt haben, dann sind das Kleckerbeträge. Und wir möchten nicht, dass daran auch noch Drittfirmen aus den USA oder anderen Ländern beteiligt werden. Bei dem bisschen, dass wir hier haben. Wir wollen durch die bessere Zusammenarbeit erreichen, dass unsere eigne industrielle Basis gestärkt wird und nicht von den ganz Großen dieser Welt platt gemacht wird.
Das Prestigeprojekt der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen stößt auf Kritik.
Doppel- und Dreifachstrukturen
Der Europäische Verteidigungsfonds soll für mehr Effizienz in Europas Rüstungsentwicklung sorgen. Das ist dringend nötig, sagen auch Rüstungskritiker. Denn die EU leistet sich im Moment ein teures System nationaler Alleingänge: Mehr als 170 verschiedene Waffensysteme, das sind mehr als sechsmal so viel wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Folge sind Doppel- und Dreifachstrukturen.
Die Rüstungsentwicklung muss dringend koordiniert werden, fordert Jana Puglierin von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Kennerin der transatlantischen Beziehungen hat kein Verständnis für die Washingtoner Versuche, den Europäischen Verteidigungsfonds durch gezielte Lobbyarbeit in Brüssel klein zu reden:
Ich glaube, dass das amerikanische Verhalten paradox ist. Die Amerikaner haben den Europäern lange zugerufen: Macht endlich mehr, werdet selbständiger, übernehmt mehr Lasten. In dem Moment, in dem die Europäer genau dies tun, ist es den Amerikanern nun auch wieder nicht recht.
"Strategische Autonomie Europas gefährdet"
Auch innerhalb der EU ist der Fonds nicht unumstritten. Mitten in die laufenden Beratungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union platzte die Nachricht, dass die Mittel für den Verteidigungsfonds halbiert werden sollen - auf Vorschlag der finnischen Ratspräsidentschaft von rund 13 Milliarden auf nur noch rund sechs Milliarden Euro.
Die Idee der strategischen Autonomie Europas sei dann gefährdet, meint Europaexpertin Puglierin: "Dieses Ziel der strategischen Autonomie wird nicht von allen Mitgliedsstaaten geteilt. Es gibt sehr viele Mitgliedsstaaten, die ganz klar immer noch die NATO priorisieren", sagt sie. "Ich glaube, dass viele Mitgliedsstaaten Sorgen haben, dass das Kolateralschäden für die Rolle der NATO haben könnte und dass sie deshalb vielleicht signalisiert haben, dass es ihnen lieber wäre, wenn die Mittel geringer ausfallen würden."
Darf das Geld aus dem EU-Haushalt kommen?
Eine Entscheidung über die Haushaltsmittel fällt im nächsten Jahr. Kontroversen gibt es aber nicht nur über die finanzielle Ausstattung des Verteidigungsfonds. Ein weiterer Vorwurf: Der Fonds sei gar nicht vereinbar mit dem Europäischen Recht. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano. In einem Rechtsgutachten beruft er sich dabei auf den Vertrag von Lissabon, der Militärausgaben aus dem Haushalt der EU untersagt. Das Gutachten hatte die Fraktion der Linken im Europaparlament in Auftrag gegeben und sie behält sich vor, gegen den Fonds rechtlich vorzugehen, wenn er mit Geld aus dem EU-Haushalt ausgestattet wird.