EU-Wahl in Irland Katzenjammer vor dem Urnengang
In Irland und Tschechien gehen heute die Wahlen zum künftigen Europaparlament weiter. Die Wahl in Irland könnte zu einer Abrechnung mit der Regierung von Premier Cowen werden. Denn die Iren sind wegen der Folgen der Finanzkrise auf ihre Politiker und Banker wütend. Von der Stimmung könnten vor allem die Gegner des Lissabon-Vertrags profitieren.
Von Ralf Borchard, ARD-Hörfunkstudio London
Kieran Lehane steht auf dem Rathaus-Balkon von Limerick. Unter ihm fließt der Shannon, Irlands längster Fluss. Stolz zeigt er auf die andere Flussseite, in Richtung des neuen Rugby-Stadions, das auf dem Höhepunkt des Wirtschaftsbooms gebaut wurde. Lehane ist Verwaltungsdirektor der Stadt, inzwischen verwaltet er vor allem die Krise. In Limerick ist wie überall im Land zur spüren, dass die große Immobilienblase geplatzt ist und sich irische Banken besonders heftig verspekuliert haben. In Limerick schließt auch noch die US-Computerfirma Dell die Werkstore.
Abbau von 2000 Arbeitsplätze auf einen Schlag
Die Firma ist der größte Arbeitgeber der Region. "Ich bin persönlich seit zehn Jahren bei Dell", sagt Dennis Ryan, der so etwas wie eine Arbeitervertretung gegründet hat, nachdem die Werksschließung bekannt wurde. Einen Betriebsrat oder Gewerkschaftsvertreter gab es nie bei Dell in Limerick, auch deshalb ist die US-Firma hierher gekommen. Umso leichter ist es jetzt, die Produktion nach Lodz in Polen zu verlagern. Knapp 2000 Jobs gehen direkt verloren, bis zu 6000 Arbeitsplätze bei Zulieferbetrieben, schätzt Dennis Ryan. Für eine Region wie Limerick ist das eine Menge. Ryan selbst hat am 5. Juni seinen letzten Arbeitstag, am Tag der Europawahl.
Iren kochen vor Wut auf Banker und Politiker
Die Lage in Limerick mag besonders drastisch sein, sauer sind die Leute im ganzen Land, vor allem auf die Bank-Manager. "Ich glaube, viele Iren würden es gern sehen, wenn einige Banker in der Gefängniszelle landen, und die Schlüssel gleich mit verschwinden", meint Dennis Ryan. Doch gleich hinter den Bank-Managern kommt in der Wut-Skala der Bevölkerung die Regierung, sagt der deutsche Volkswirt Edgar Morgenroth, der an einem renommierten Forschungsinstitut in Dublin arbeitet seit und mehr als 20 Jahren in Irland lebt. "Die Regierung hat natürlich auch Fehler gemacht. Und auch die Bankaufsicht, die da nicht irgendwann mal Halt gesagt hat. Die haben alle schön weggeguckt, vielleicht das sogar zusammen vertuscht."
Wahlkampf gegen den Lissabon-Vertrag
Dass die Iren der Regierung von Ministerpräsident Brian Cowen bei der Europawahl einen Denkzettel verpassen, gilt als sicher.
Von der Krisenstimmung zu profitieren hofft der irische Geschäftsmann Declan Ganley. Vor dem ersten Referendum über den Lissabon-Vertrag stand er an der Spitze der Nein-Seite in Irland, nun hat er hat seine Libertas-Bewegung zur regulären Partei gemacht und will für seine Heimatregion Galway ins Europaparlament einziehen. Wenn Ganley das schafft, das hat Symbolwert. Ohne Parlamentssitz wird er kaum noch einmal so erfolgreich gegen den Lissabon-Vertrag Wahlkampf machen können. Aus Brüsseler Sicht ist das für Oktober erwartete zweite Lissabon-Referendum sowieso der wichtigere irische Wahltermin.
Edgar Morgenroth glaubt diesmal an ein Ja zu Lissabon: "Ich glaube, die Bevölkerung hier hat sich durch die Krise wiederum Gedanken gemacht, wie wichtig Europa für das Land ist. Ohne die EU-Mitgliedschaft und ohne den Euro wäre die Krise noch viel schlimmer für dieses Land. Da wird die Bevölkerung ein Zeichen setzen - 'Wir sind für Europa'. Ich denke, dieses Mal wird es klappen."