Frankreich übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft Sarko-Show für das heimische Publikum?
Frankreichs Präsident steht mit der EU-Ratspräsidentschaft vor einer doppelten Herausforderung. Zum einen muss sich Sarkozy um Europas Zukunft nach dem Nein der Iren zum Reformvertrag kümmern, zum anderen steht er auch in Frankreich unter Druck - als Staatschef, der viel versprochen und bisher wenig gehalten hat. Will er nun die EU-Bühne nutzen, um innenpolitisch zu punkten?
Von Angela Ulrich, ARD-Hörfunkstudio Paris
Nicolas Sarkozy liebt die Herausforderung. Mit der EU-Ratspräsidentschaft stellt sich ihm gleich eine doppelte: Einmal, sich nach dem Nein der Iren zur Verfassung als Krisenmanager Europas zu bewähren. Zum anderen will Frankreichs Präsident die Europa-Bühne nutzen, um die verlorene Gunst seiner Landsleute daheim zurückzugewinnen. Denn die haben die Nase voll. Von hohen Energiepreisen. Von immer weniger Geld in der Tasche. Von einem Staatschef, der viel versprochen hat, und dem sie kaum mehr trauen.
"Sarkozy hat uns viel angekündigt"
Ein Pariser formuliert auf einer Demonstration so: "Ich fahre jeden Tag 72 Kilometer zu meiner Halbtagsstelle und zurück. Ein Viertel von meinem Gehalt geht für Benzin drauf – das ist hart! Ich bin am Ende. Mein Vater hat immer gesagt: Man muss arbeiten, um Geld zu verdienen. Ich arbeite, aber ich habe nichts! Sarkozy hat uns viel angekündigt. Inzwischen sagt er das Gegenteil. Offenbar ist die Ausübung der Macht wesentlich schwieriger als sie zu erringen!"
Viele Franzosen haben mehr Angst als andere Europäer vor einer ungeregelten Globalisierung. Sie machen Europa mitverantwortlich für steigende Preise und weniger eigenen Wohlstand. Sarkozy will sich während des französischen EU-Ratsvorsitzes als Präsident der Bürgernähe präsentieren. "Wir haben die Pflicht, das Alltagsleben der Europäer wirkungsvoller zu beeinflussen. Ich sehe das irische Nein als einen Appell, vieles anders und besser zu machen. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden. Das wird die Aufgabe der französischen Ratspräsidentschaft nicht einfacher machen, aber sicher noch spannender."
Wenig Europa-Begeisterung in Frankreich
Sarkozys Initiative, die Mehrwertsteuer auf den hohen Ölpreis zu begrenzen, hat vor allem Deutschland bisher verhindert. Gut so, sagt Sylvie Goulard, die eine Europa-Bewegung in Frankreich leitet. Denn die EU sei mehr als ein Diskussionsforum über den Benzinpreis: "Die EU wird nie bürgernah sein. Keiner wünscht sich, dass Brüssel jeden Tag in unser Schlafzimmer kommt, um uns ‚Gute Nacht’ zu sagen. Das ist nicht mein Traum. Die EU muss da sein für große Herausforderungen in einer Welt, die sich sehr schnell verändert. Für Details ist die EU nicht konzipiert worden."
In Frankreich selbst ist wenig Europa-Begeisterung zu spüren. Nicht einmal jeder zweite Franzose hält die EU für eine gute Sache fürs eigene Land. Auch, wenn laut Umfragen 56 Prozent dem neuen Verfassungsvertrag zustimmen würden – das Nein Frankreichs vor drei Jahren hat Spuren hinterlassen. "Europa ist und bleibt zu kompliziert", sagt zum Beispiel der Bankangestellte Jean-Francois: "Das Problem ist doch, dass die Dokumente zu Europa zu komplex sind und für die meisten völlig unlesbar. Auch wenn viele hinter der Idee von Europa stehen, muss man uns einfache Texte anbieten, über die man urteilen kann, daran hakt es vor allem."
Im kommenden halben Jahr ist Nicolas Sarkozys Talent als Vermittler in Europa gefragt. Eine Eigenschaft, durch die der agile Präsident bisher nicht aufgefallen ist. Kann er das überhaupt? Politikwissenschaftlerin Goulard ist da optimistisch: "Wir befinden uns in einer Krise, in der sich Leute auch entfalten können."