EU-Ambitionen Nordmazedoniens Proteste gegen Zugeständnisse an Bulgarien
Im Streit um EU-Beitrittsverhandlungen pocht Bulgarien auf die Stärkung der Rechte der Minderheit in Nordmazedonien. Die Forderungen gehen vielen in Nordmazedonien zu weit. Tausende protestierten in Skopje.
In Nordmazedonien haben Tausende Menschen gegen Zugeständnisse an Bulgarien protestiert, die den Weg für EU-Beitrittsgespräche mit dem südosteuropäischen Land freimachen sollen. In der Hauptstadt Skopje versammelten sich Menschen, die mazedonische Flaggen schwenkten, Plakate mit der Aufschrift "Nein zur EU" hochhielten und regierungsfeindliche Parolen riefen. Unterstützt wurden die Proteste von der rechtskonservativen Oppositionspartei VMRO-DPMNE und anderen oppositionellen Gruppen.
Frankreich schlägt Verfassungsänderung vor
Die mazedonische Regierung hatte am Freitag einen neuen Plan vorgelegt, den Frankreich während seiner am Donnerstag zu Ende gegangenen EU-Ratspräsidentschaft ausgearbeitet hatte. Laut dem Kompromissvorschlag müsste Nordmazedonien unter anderem seine Verfassung ändern, um die Rechte der bulgarischen Minderheit zu garantieren.
"Wir brauchen Europa nicht, wenn wir assimiliert werden sollen", sagte Oppositionsführer Hristijan Mickoski vor den Demonstranten. "Ich will nicht zu Europa gehören, weil ich das Recht habe, ein Mazedonier zu sein, der die mazedonische Sprache spricht und für seine Identität und Kultur kämpft."
Namensänderung ebnete Weg in die NATO
Nordmazedonien ist seit 17 Jahren ein Kandidat für die EU-Mitgliedschaft. Das Land erhielt 2020 grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen, aber es wurde noch kein Datum für den Beginn der Verhandlungen festgelegt. Das Land änderte 2019 sogar seinen Namen - vorher hieß es "Mazedonien" - um einen Konflikt mit dem EU-Mitglied Griechenland über eine gleichnamige Region auszuräumen. Das ebnete Nordmazedonien ein Jahr später den Weg in die NATO.
Bulgarien stellt zahlreiche Forderungen
Bulgarien stellt sich seit 2020 gegen die Aufnahme offizieller EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien. Die Regierung in Sofia fordert von Nordmazedonien, bulgarische Wurzeln in seiner Sprache, Bevölkerung und Geschichte anzuerkennen. Kritisiert wird auch die angebliche Diskriminierung der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien. In einem Sechs-Seiten-Memorandum werden historische Ungerechtigkeiten aus den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgerechnet. Das Papier ist voller Schuldzuweisungen und Forderungen.
Für die Zurückziehung des Vetos wollte Bulgarien zuletzt, dass Bulgarinnen und Bulgaren gleiche Rechte wie andere in Nordmazedonien genießen, indem sie in der Verfassung als Volk festgeschrieben werden. Außerdem will Bulgarien eine "mazedonische Sprache" nicht als eigenständig anerkennen - aus bulgarischer Sicht handelt es sich es um eine Form der bulgarischen Sprache. Es wird darauf bestanden, dass die EU-Institutionen beobachten, ob Nordmazedonien einen bilateralen Vertrag für gute Nachbarschaft aus dem Jahr 2017 umsetzt. Dieser regelt unter anderem den Umgang mit der teils gemeinsamen Geschichte.
Der mazedonische Außenminister Bujar Osmani äußerte sich Ende Juni noch skeptisch: "Egal, wie die endgültige Version eines Abkommens sein wird. Bulgarien kann weiterhin Millionen Gründe finden, um die Gespräche zu blockieren."
Baerbock dringt auf Beitrittsgespräche
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte am Freitag in der Diskussion über eine stärkere Annäherung der Westbalkanstaaten an die Europäische Union Druck gemacht. "Auf dem Balkan darf keine Nische entstehen, in der sich Russland oder andere Akteure festsetzen", ergänzte Baerbock.
Die EU hätte das Versprechen zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Blick auf den westlichen Balkan und insbesondere auf Nordmazedonien und Albanien längst einlösen müssen, sagte die Ministerin. "Es liegt in unserem eigenen strategischen Interesse und ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit." Zu den Westbalkanstaaten zählen Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien.
Baerbock hob in diesem Zusammenhang den Kompromissvorschlag von Frankreich hervor. Der Kompromissvorschlag sei eine einmalige Chance. "Wir müssen diesen Schritt jetzt endlich gemeinsam gehen", sagte die Ministerin. Wenn man Versprechungen nicht einhalte, würden die Lücken von anderen gefüllt. Gerade viele junge Menschen würden enttäuscht, deren Hoffnung das "gemeinsame europäische Haus" sei.
Mit Informationen von Wolfgang Vichtl, ARD-Studio Wien