Regierungsbildung in Bulgarien Es sieht wieder nach Neuwahlen aus
In Bulgarien ist abermals eine Regierungsbildung gescheitert. Der Kandidat der Gerb-Partei scheiterte im Parlament. Parteichef und Ex-Premier Borissow fordert bereits Neuwahlen. Es wären die siebten nach 2021.
Der Kandidat für den Posten des Premiers, Rossen Scheljaskow, hatte große Versprechen mitgebracht, als er sich am Nachmittag den Abgeordneten im Parlament stellte: "Ich verspreche, dass ich und meine Kollegen, wenn wir Ihr Vertrauen gewinnen, fleißig, ehrlich und ehrenhaft für Bulgarien arbeiten werden."
Er und seine Partei Gerb würden zur Normalisierung des gesellschaftspolitischen Lebens aufrufen. Sie würden politische Verantwortung wahrnehmen und tragen. Doch die Abgeordneten sprachen Scheljaskow nicht das Vertrauen aus. Nur 98 Ja-Stimmen bekam er.
"Das Beste, was Gerb Bulgarien bieten kann?"
Nominiert hatte Scheljaskow die Partei Gerb, die als Siegerin aus der Parlamentswahl am 9. Juni hervorgegangen war. Ihre Unterstützung zugesagt hatte auch die Partei der türkischen Minderheit, DPS. Theoretisch wären so 113 Ja-Stimmen drin gewesen. Doch die DPS-Fraktion zog nicht in Gänze mit.
Auch aus den Reihen des Anti-Korruption-Bündnisses von "Wir setzen den Wandel fort - Demokratisches Bulgarien" gab es nur Kritik. Fraktionschef und Ex-Premierminister Nikolaj Denkow: "Schlagen sie uns wirklich wieder dieselben Minister vor, die die Proteste in den Jahren 2020 und 21 ausgelöst haben?", fragte er und verwies auf Minister aus dem Jahr 2013. Jenem Jahr, in dem sich der Fotograf Plamen Goranow aus Varna bei einem Protest gegen die erste Regierung von Bojko Borissow selbst in Brand gesetzt hat und gestorben ist. "Ist das das Beste, was Gerb Bulgarien heute bieten kann?" Das sei eine Regierung nach dem Motto "Denkt gar nicht an eine bessere Zukunft!".
Wahlsieger will Regierungsmandat nicht tragen
Denkows Bündnis ist tief zerstritten mit der Gerb, der sie Korruption und Vetternwirtschaft vorwirft. Insgesamt ist das Parlament in sieben Fraktionen zersplittert, und viele davon schließen aus, mit anderen zu koalieren.
Nachdem das erste Regierungsmandat nun gescheitert ist, kündigte auch Gerb-Parteichef Borissow an, keiner anderen Regierung die Mehrheit zu verschaffen: "Wir haben klar gesagt, dass wir eine vorgeschlagene Regierung mit dem zweiten Regierungsmandat nicht unterstützen werden", so Borissow. Auch das dritte Regierungsmandat wolle man nicht unterstützen, da es nicht logisch sei, dass "Parteien mit sechs bis sieben Prozent bei den Wahlen die erstplatzierten Parteien dominieren".
Er appellierte an das Wahlvolk: "Lasst uns den bulgarischen Bürgern sagen, dass es uns leid tut und dass wir um Vergebung bitten. Lasst uns Wahlkampf machen." Denn nach drei gescheiterten Versuchen der Regierungsbildung müsste in Bulgarien wieder neu gewählt werden. Zum siebten Mal seit April 2021. Und danach sieht es aus.
Präsident Radew wirbt um "Angemessenheit"
Staatspräsident Rumen Radew appellierte erneut an die Politiker der Parteien, die politische Krise in Bulgarien endlich zu überwinden: "Die politische Krise geht weiter und ihre Lösung erfordert nicht nur die Zurückstellung persönlicher und parteipolitischer Interessen, sondern auch Angemessenheit." Man habe bei der Parlamentsdebatte gesehen, dass persönliche Angriffe die politischen Thesen dominieren und der Fokus eher auf die Vergangenheit als auf die Gegenwart und die Zukunft liegt.
Radew selbst wird von anderen Parteien für russlandfreundliche Aussagen kritisiert. Die letzte Regierung hatte seine Befugnisse bei der Bildung von Übergangskabinetten eingeschränkt. Nun muss Radew aber erst einmal das nächste Regierungsmandat an die zweitstärkste Fraktion im Parlament geben, die DPS. So aussichtslos es auch scheint.