Somalierin in einem Pariser Zeltlager für Flüchtlinge
Hintergrund

Beschluss der Kommission Was steht im EU-Migrationspakt?

Stand: 23.09.2020 19:22 Uhr

Mit ihrem neuen Migrationspakt will die EU-Kommission den jahrelangen Streit unter den Mitgliedsstaaten beenden. Aber was steht in dem Papier? Und wird das die Kritiker vor allem in Osteuropa besänftigen?

Verfahren an der Grenze

Bevor ein Migrant ins Land kommt, soll der betroffene Staat nach Vorstellung der Kommission künftig an der Grenze eine Vorüberprüfung vornehmen - deutlich umfangreicher als bisher: Der Migrant wird registriert, Fingerabdrücke genommen, es gibt Gesundheits- und Sicherheitschecks.

Kommen Asylsuchende aus einem Land mit einer geringer Anerkennungsrate - Tunesien oder Marokko etwa - soll es innerhalb von zwölf Wochen ein schnelles Grenzverfahren geben. Für alle anderen gilt ein "normales" Verfahren. Während der Verfahren schließt die EU-Kommission auch nicht aus, dass Migranten in geschlossenen Lagern festgehalten werden.

Umverteilung innerhalb der EU

Verpflichtende Umverteilungen von Schutzsuchenden nach Quoten auf alle EU-Länder soll es nicht geben. Diese Idee hatte die EU-Staaten in den vergangenen Jahren entzweit und galt der EU-Kommission offenbar als nicht durchsetzbar.

Anstelle verpflichtender Umverteilungen hat die Kommission daher ein mehrstufiges System entwickelt. Es soll finanzielle Anreize geben: Nehmen Länder Flüchtlinge aus anderen Mitgliedstaaten auf, sollen sie aus dem EU-Budget 10.000 Euro pro Person bekommen. Bei Minderjährigen sind es 12.000 Euro.

In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen. Gerät ein Land unter Druck, kann es jedoch einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Kommission würde dann prüfen, ob beziehungsweise wie viele Menschen dem Land abgenommen werden müssen.

Jedes andere Land müsste dann Hilfe anbieten: Entweder nimmt es Migranten mit Aussicht auf einen Schutzstatus auf. Oder aber es hilft anderweitig, etwa beim Migrationsmanagement oder durch die sogenannten "Abschiebe-Patenschaften".

"Abschiebe-Patenschaften"

Dabei übernimmt ein EU-Land die Verantwortung für die Rückführung einer bestimmten Zahl abgelehnter Asylbewerber in einem anderen Land. Bestenfalls sollten die Länder dann ihre guten diplomatischen Beziehungen zu bestimmten Drittstaaten nutzen.

Die EU will weiter die Verhandlungen mit Herkunfts- und Transitländern intensivieren, damit diese abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen. Zwar werden nach EU-Angaben rund zwei Drittel der Asylanträge abgelehnt, aber nur ein Drittel der Betroffenen wird tatsächlich abgeschoben. Die Kommission will zudem einen "Rückführungskoordinator" ernennen und die Mitgliedstaaten bei Abschiebungen auch stärker durch die Grenzschutzagentur Frontex unterstützen.

Dublin-Verfahren

An den derzeit gültigen Dublin-Regeln hält die EU-Kommission grundsätzlich fest - passt sie aber an. Heute ist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Das belastet Länder wie Italien, Griechenland oder Spanien übermäßig. Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass andere Kriterien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Wer in einem anderen Staat etwa Geschwister hat, dort früher schon mal studiert oder gearbeitet hat, soll dorthin kommen. Gleiches gilt, wenn ein Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist. Und auch gegen das Weiterziehen in andere EU-Staaten soll etwas unternommen werden. Dafür hatte sich Deutschland eingesetzt, das hier zu den Hauptzielländern gehört.

Seenotrettung

Hier setzt die Kommission zunächst auf freiwillige Zusagen der Mitgliedstaaten. Brüssel will zudem Empfehlungen für eine bessere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen bei der Seenotrettung erlassen. Sie will sicherstellen, dass die Grund- und Menschenrechte von Einwanderern an der EU-Außengrenze nicht verletzt werden. Überwachen soll das unter anderem Frontex.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. September 2020 um 20:00 Uhr.