EU und der "Equal Pay Day" Zu mehr Lohngleichheit - oder zum Gegenteil?
Der heutige "Equal Pay Day" zeigt, wie groß die Gehaltsunterschiede von Frauen und Männern sind, selbst nach einem Urteil vom Vorjahr. Eine EU-Richtlinie will das ändern - doch Kritiker befürchten das Gegenteil.
Vor einem Jahr standen Susanne D. vor dem Bundesarbeitsgericht Tränen in den Augen - es waren Tränen der Freude. Sie denke an ihre Töchter, an die Frauen in Deutschland, sagte sie, und freue sich so sehr "über diesen Meilenstein".
Die Vertriebsmitarbeiterin hatte einen Gehaltsnachschlag sowie 2.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung erkämpft. 3.500 Euro Grundgehalt hatte sie auf dem Zettel. Ihr Kollege, der als Vertriebler genau das Gleiche macht, einen Tausender mehr. So gehe es nicht, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Für Sarah Lincoln, die Anwältin der Klägerin, war das ein Grundsatzurteil - gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Männer, stellte Lincoln fest, verhandelten erfolgreicher - und oft werde ihnen mehr Geld zugestanden. Das aber sei nach dem Urteil "keine Rechtfertigung mehr für ein Gehaltsunterschied".
Ruf nach "Kulturwandel"
Das deutsche Urteil hat eine Brüsseler Radikalreform vorweggenommen, die überall in der EU bis 2026 umgesetzt werden soll. Unternehmen müssten sich schon heute darauf einstellen, forderte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. Ein "Kulturwandel" sei hier erforderlich - "und zum anderen müssen sich auch mehr Frauen rechtlich zur Wehr setzen, damit ein Umdenken stattfindet".
Bisher würden das viel zu wenige tun, kritisiert DGB-Chefin Yasmin Fahimi, obwohl es schon jetzt auf Bundesebene in kleiner Form das gibt, was Brüssel in großer Form durchsetzen will: mehr Transparenz, mehr Gerechtigkeit.
Bekenntnisse zu mehr Lohngerechtigkeit hört DGB-Chefin Fahimi (hier mit Arbeitsminister Heil und der Bundesbeauftragten Ataman) oft - die Gesetze dazu bringen ihrer Meinung nach aber nicht viel.
Das Entgelttransparenzgesetz in Deutschland habe "nicht viel gebracht", stellt Fahimi fest. Und es sei auch nicht immer ganz einfach, den Chef oder die Chefin zu verklagen. Sie stelle sich auch die Frage, wie Frauen zumal in kleineren Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt, "eigentlich ihr Recht durchklagen" sollen.
Gewerkschaften hoffen auf die EU
Die Gewerkschaften hoffen auf die große europäische Lösung. Und genau hier setzt die Brüsseler Richtlinie an - sie werde das ändern, verspricht die Christdemokratin Maria Walsh: "Wir müssen das geschlechtsspezifische Lohngefälle ein für alle Mal beseitigen."
Die Europaabgeordnete aus Irland hat an der Reform mitgeschrieben. Ein Verbandsklagerecht soll verhindern, dass Frauen auf sich selbst gestellt sind. Ab fünf Prozent Lohngefälle sollen Änderungen her, egal wie groß die Firma ist. Nur die konkrete Tätigkeit zählt, nicht Stellenbeschreibungen.
Erschwert die Richtlinie Gehaltserhöhungen?
Genau hier sehen viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aber Probleme, wenn die neue EU-Richtlinie kommt. Individuelle Gehaltserhöhungen werden schwieriger, etwa für bessere Leistungen oder um jemanden im Betrieb zu halten.
Die EU sieht aber keine Alternative. In den vergangenen Jahren sei in Sachen Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern einfach zu wenig passiert. "Unsere Arbeitnehmer brauchen Tools, um Gehälter zu vergleichen und sicherzustellen, dass sie gerecht und für ihre geleistete Arbeit gleich bezahlt werden", sagt die Europaabgeordnete Walsh.
Laut EU-Statistikbehörde ist das bisher nur in Luxemburg der Fall. Noch größer als in Deutschland ist das Gehaltsgefälle in Österreich, Estland und in der Schweiz, während es in Rumänien, Polen, Italien und Belgien relativ gut aussieht und die Lohnunterschiede zwischen drei und fünf Prozent liegen.