Die EU und der G7-Gipfel Was Brüssel in Hiroshima erreichen will
Beim G7-Gipfel stehen die EU und die wirtschaftsstarken Demokratien eng zusammen bei der Ukraine-Hilfe und den Russland-Sanktionen. Aber beim Klimaschutz und in der China-Politik müssen in Japan Differenzen überwunden werden.
Der Krieg und das Klima haben das G7-Treffen im vergangenen Jahr auf Schloss Elmau bestimmt und sie werden den Gipfel in Hiroshima prägen. Auf beiden Feldern stimmt sich die EU eng mit dem Club der sieben wirtschaftsstarken Demokratien ab - zum Beispiel bei Strafmaßnahmen gegen Moskau: Handelsbeschränkungen, Ölembargo, Kontensperrungen.
Aber Finanzsanktionen wirken nur begrenzt und Unternehmen umgehen Ausfuhrverbote, indem sie über Drittländer nach Russland exportieren, erklärt der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Europa-Kenner Guntram Wolff: "Insofern sind die Sanktionen ein wirklich kontroverses Thema, bei dem die G7 an ihre Grenzen gekommen sind und eigentlich mehr erreichen müssen. Vom Gipfel in Hiroshima erhoffe ich mir, dass sich EU und G7 eng abstimmen und an einem Strang ziehen."
Wiederaufbau mit vereinten Kräften
Das tun sie auf jeden Fall bei den Finanzhilfen für die Ukraine und dem geplanten Wiederaufbau des Landes. Im Herbst hat die Bundesregierung mit der EU und der G7 dafür bei einer Konferenz in Berlin einen Marshallplan auf den Weg gebracht und eine Geberplattform aufgesetzt.
Die Aufgabe ist gewaltig: Die Weltbank schätzt die Kosten in den kommenden zehn Jahren auf rund 370 Milliarden Euro. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont, das sei mehr, als ein Land oder eine Organisation stemmen könne:
"Wir brauchen alle an Bord: G7, EU und das restliche Europa, starke Partner wie die USA, Kanada, Japan, das Vereinigte Königreich, Südkorea, Australien, Neuseeland und viele mehr."
Differenzen in der Klimapolitik
In der Klimapolitik sind die EU- und G7-Staaten nach Ansicht von Umweltorganisationen weit davon entfernt, ihre jeweiligen nationalen Ziele zu erreichen. Aber die EU hat sich verpflichtet, den Handel mit Emissionsrechten auszuweiten und 45 Prozent ihres Energieverbrauchs bis 2030 durch Sonne, Wind und Wasser zu decken. Die G7 wiederum haben in Elmau beschlossen, die Stromerzeugung überwiegend CO2-frei zu machen.
Daran wollen die sieben großen Industrienationen nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Gipfel in Hiroshima anknüpfen. Das wird nicht ganz einfach: So gibt es noch keinen Zeitplan für das Ende der klimaschädlichen Kohleverstromung und es bleiben Schlupflöcher, weil Gipfelgastgeber Japan stark auf Kohle setzt. Auch ist Atomkraft als emissionsarme Form der Energiegewinnung für viele EU- und G7-Staaten weiter wichtig, während Deutschland ausgestiegen ist.
Außerdem sorgt der Inflation Reduction Act für Streit, Washingtons milliardenschweres Subventionsprogramm, um die US-Industrie klimafreundlicher zu machen. Das begrüßt die EU zwar, sie beklagt aber Nachteile für europäische Unternehmen.
Wie halten sie es mit China?
Unterschiedliche Nuancen zeigen sich auch im Umgang mit China: Die USA dringen gegenüber ihren Partnern auf einen harten Kurs im Umgang mit Peking - ebenso Japan, das die Militärpräsenz des großen Nachbarn in der Indopazifikregion mit großer Sorge sieht.
Aus Sicht der EU ist China Systemrivale, aber auch wichtiger Lieferant und Absatzmarkt: Im vergangenen Jahr war China der drittgrößte Partner für EU-Warenausfuhren und der größte Partner für EU-Wareneinfuhren. Für Deutschland war China 2022 zum siebten Mal in Folge wichtigster Handelspartner.
Nach Ansicht von Kommissionschefin von der Leyen ist eine Abkoppelung von China weder machbar noch in Europas Interesse. Sie will aber die Gefahren begrenzen, die sich für Europa durch zu große Abhängigkeiten ergeben. Von der Leyen brachte das Ende März auf die Formel: "De-risk, not de-couple."
Diese Formel hat sich Bundeskanzler Scholz bei seiner Straßburger Rede am Europatag zu eigen gemacht und so oder ähnlich könnte es auch in der G7-Abschlusserklärung klingen.
Die "Group of Seven" (G7) ist ein Zusammenschluss der sieben wichtigsten Industrieländer: Deutschland, Großbritannien, USA, Kanada, Frankreich, Japan und Italien. Die EU-Kommission ist als Beobachter dabei. Der Vorsitz wechselt jährlich zwischen den Mitgliedstaaten. Das Land, das den Vorsitz hat, legt die Prioritäten der Gruppe fest, ist Gastgeber der Gipfeltreffen und organisiert diese. Im vergangenen Jahr saß Deutschland den G7 vor; das letzte Treffen der Gruppe war im Juni 2022 im bayerischen Elmau.
De-Risking: Neue Allianzen schmieden
Bei der Suche nach wertvollen Rohstoffen wollen sich die die G7-Länder von Peking absetzen und Drittstaaten Angebote machen: Anders als China, das im globalen Süden nur Erze und Mineralien aus den Böden holt, wollen die G7 Rohstoffe teilweise vor Ort verarbeiten. DGAP-Experte Wolff begrüßt ausdrücklich, dass Scholz schon in Elmau Vertreter wichtiger Schwellenländer eingeladen hatte. Der Westen müsse um Allianzen werben: "China tut das, der Westen muss es auch tun. Dazu gehört auch, Angebote zu machen, die letztendlich dazu beitragen, eine breitere weltweite Koalition gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu formen."
Nach Wolffs Ansicht hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine EU und G7 enger zusammenrücken lassen und dem Club der Wirtschaftsmächte eine neue Existenzberechtigung gegeben. Europas Interesse beim Gipfel sei es, die internationale Allianz gegen den Aggressor Russland zu bestätigen.