Diskussion im EU-Parlament Der lange Weg zur Agrarreform
Das EU-Parlament hat über weitreichende Reformen im Agrarsektor beraten. Doch die Landwirte sind unzufrieden - und Umweltschützer kritisieren mangelndes Engagement im Kampf gegen den Klimawandel.
Das EU-Parlament hat sich nicht gerade die attraktivste Debattenzeit ausgesucht, um eine der größten Herausforderungen für Europa zu diskutieren: Die Abgeordneten berieten am Abend in Straßburg darüber, wie die EU ihre gemeinsame Agrarpolitik neu aufstellen könnte. Dabei geht es immerhin um den zweitgrößten Posten im EU-Haushalt, über den das Parlament mitentscheidet.
Dass es Änderungen braucht ist unstrittig: Obwohl fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat in die Landwirtschaft fließt, kämpfen viele Höfe ums Überleben. Gleichzeitig geschieht im Agrarsektor nach Ansicht von Fachleuten zu wenig, um Klimawandel und Artenschwund wirksam zu bekämpfen.
Reaktion auf Proteste
Trotzdem hat die EU vor der Europawahl Auflagen sogar noch gelockert - als Reaktion auf europaweite Bauernproteste. So bleiben Landwirte von der Pflicht befreit, einige Äcker für den Artenschutz brachliegen zu lassen. Die Mitgliedsstaaten bekommen mehr Spielraum, um Regeln zur Bodenbedeckung und zum Fruchtwechsel anzuwenden. Die sollten eigentlich sicherstellen, dass landwirtschaftliche Nutzung die Böden nicht zu sehr auslaugt. Kleinere Betriebe müssen nicht mehr mit Kontrollen und Strafen rechnen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor einem Jahr außerdem Vorschläge angekündigt, um die gemeinsame Agrarpolitik grundsätzlich neu auszurichten. Die hat sie vor Kurzem vorgelegt und diese Empfehlungen, an denen Bauernverbände, Umweltschützer und Lebensmittelkonzerne mitwirkten, haben es in sich. Demnach soll die EU nämlich Schluss machen mit der derzeit geübten Praxis der Direktzahlungen nach Fläche: Große Betriebe, die oft sowieso besser dastehen als der Durchschnitt, bekommen mehr.
Gezieltere Förderung
Stattdessen sollten gezielter Betriebe gefördert werden, die es wirklich nötig haben: kleine Höfe, Junglandwirte und Neueinsteiger. Außerdem sollten Landwirte stärker belohnt werden, wenn sie umweltgerecht wirtschaften. Wie hoch dafür das nächste Agrarbudget ausfallen soll, das jeweils für sieben Jahre festgelegt wird, sagt das Gremium nicht. Dafür will es "unbedingt" den in der EU vorhandenen Trend befördern, weniger Fleisch zu essen. Beim Abschluss von Handelsverträgen mit Nicht-EU-Staaten sollten die Interessen der europäischen Bauern mehr Gewicht bekommen.
In der Debatte hoben Abgeordnete mehrerer Fraktionen hervor, dass die Reformvorschläge von ganz unterschiedlichen Organisationen erarbeitet wurden. Die christdemokratische EVP-Fraktion, in der die Europa-Abgeordneten von CDU und CSU sitzen, unterstützt die Pläne grundsätzlich, lehnt Eingriffe in die Essgewohnheiten von Europäerinnen und Europäern aber ab.
Grüne sprechen von wegweisender Reform
Nach Ansicht der EVP muss die Landwirtschaft in der EU wettbewerbsfähiger werden, die Unterstützung von Junglandwirten hält sie für wichtig. Die Sozialdemokraten würden eine Abkehr von Flächenzahlungen zugunsten punktgenauerer Förderung begrüßen. Sie werfen den Christdemokraten vor, das im Parlament bisher verhindert zu haben.
Die Grünen sprechen von einem wegweisenden Reformpapier. Ihnen gefällt, dass die empfohlenen finanziellen Anreize für Umweltleistungen nicht nur Einkommensverluste ausgleichen, sondern wirklichen Mehrwert bieten sollen. Das grundsätzliche Wohlwollen der pro-europäischen Parlamentsfraktionen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die (auch nur teilweise) Umsetzung der Reformvorschläge enorm schwierig wird. Kommissionschefin von der Leyen wies darauf hin, als sie die Pläne vor anderthalb Wochen präsentierte: Der Teufel stecke im Detail.