Wetten auf Agrarpreise Wenn Ernten zum Spekulationsobjekt werden
Wetten auf Nahrungsmittelpreise: Für viele klingt das unmoralisch. Denn die Lebensgrundlage sollte kein Spekulationsobjekt sein. Doch ein Teil dieser Wetten funktioniert für Bauern auch wie eine Versicherung.
5,88 Euro: Das ist der aktuelle Preis für 25 Kilogramm Mais. Hört sich gar nicht so teuer an - doch Mais kostet damit fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. Auch die Preise für Soja und Weizen sind in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen. An der Börse gilt Mais wegen seines hohen Preises sogar aktuell als Topinvestment mit einer teilweise höheren Rendite als Rohöl - so hat es das "Handelsblatt" errechnet.
"Gute" und "schlechte" Spekulation
Treiben also schon wieder Spekulanten die Preise der Agrarprodukte in die Höhe, so wie es schon 2009/2010 passierte? Nein, sagt Rafaël Schneider, Experte für Ernährungssicherheit und Landwirtschaft bei der Welthungerhilfe. Diesmal seien die Hauptgründe andere. "Auf der einen Seite haben wir in Brasilien einige Missernten gehabt, die zu einer Verknappung geführt haben", erläutert er. "Gleichzeitig ist die Nachfrage stark gestiegen, das heißt, der Markt für Agrarrohstoffe ist sehr eng geworden - und das treibt die Preise in die Höhe."
Das sieht auch ING-Bank-Chefvolkswirt Carsten Brzeski so. Allerdings sei es schwierig zu sagen, welchen Anteil die Spekulation an der Preisentwicklung habe. Brzeski plädiert dafür, zwischen zwei Arten von Spekulation zu unterscheiden: "Es gibt sozusagen die 'gute' Spekulation, in der ich Finanzprodukte einsetzen kann, um mich gegen Wetterschwankungen, Angebot- und Nachfrageschwankungen einzudecken", erklärt der Volkswirt. "Und es gibt die 'schlechte' Spekulation, die dafür sorgt, dass die Preise ins Uferlose getrieben werden und hier wirklich mit Spekulation einfach Geld gemacht wird."
Futures sichern Landwirte ab
Nach dieser Lesart gehören die sogenannten Futures zur guten Spekulation. Landwirte nutzen diese Finanzprodukte, um ihre Ware in der Zukunft zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. Futures werden an der Börse gehandelt, es gibt sie auf alle möglichen Rohstoffe wie Holz oder sogar Blumen. Experte Schneider von der Welthungerhilfe hält sie für Landwirte für existentiell wichtig.
Landwirte überall auf der Welt haben ja Grundinvestitionen. Sie müssen ihr Feld bestellen, Pacht zahlen, Saat ausbringen. Und schon bei der Aussaat müssen sie kalkulieren: 'Wird meine Ernte rentabel sein?' - Und dafür fixieren sie einen Preis in Futures und kalkulieren dann damit.
Futures stellen für Landwirte also eine Art Versicherung dar. Ohne sie hätten die Bauern keine Planungssicherheit.
Verbraucher bekommen steigende Preise zu spüren
Die steigenden Preise auf Agrarrohstoffe werden aber auch die deutschen Verbraucher zu spüren bekommen. Nestlé und Coca Cola haben schon angekündigt, sie an die Kunden weiterzugeben. Agrarexperte Schneider rechnet jedoch nur mit einer leichten Steigerung. "Wir geben einen vergleichsweise geringen Prozentsatz unseres Einkommens für Nahrungsmittel aus", sagt er und beziffert ihn mit 15 bis 30 Prozent. In anderen Regionen der Welt seien es hingegen 60 bis 100 Prozent. "Da merkt man, dass der Spielraum bei uns bei leicht steigenden Preisen viel größer ist als in anderen Regionen der Welt."
Die großen Konzerne können also höhere Lebensmittelpreise durchsetzen, und einige Investoren werden mit Wetten auf Agrarprodukte immer reicher. Aber ist der profitorientierte Handel mit Agrarrohstoffen deshalb unmoralisch? Soweit würde selbst die Welthungerhilfe nicht gehen.