Wechsel der EU-Ratspräsidentschaft Welkom Belgien, adiós Spanien
Turnusgemäß wechselt der EU-Ratsvorsitz alle sechs Monate. Das letzte halbe Jahr waren die Spanier dafür verantwortlich, dass es in der EU voranging. Jetzt kommen die Belgier dran. Ein Rück- und Ausblick.
Man kam gar nicht mehr hinterher mit all diesen historischen Momenten, die zum Ende dieses EU-Jahres ausgerufen wurden. Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, Einigung bei Asyl, Regeln für die Künstliche Intelligenz, Verbraucher- und Naturschutzabkommen, Neuregelung des Strommarktes.
Zum Ende ihres EU-Vorsitzes haben die Spanier noch einmal ein rasantes Tempo hingelegt und alle anderen mit sich gerissen. Vorbei war's mit dem Schlaf, stattdessen Verhandlungen, Kaffee und zum Schluss ein sehr zufriedener spanischer Ministerpräsident Pedro Sánchez: "Ich bedanke mich bei allen für ihre Arbeit", erklärte er. Es handele sich um "sehr, sehr zufriedenstellende Ergebnisse".
Sánchez unter großem Druck
Jedes der 27 EU-Länder übernimmt im Wechsel für sechs Monate den Vorsitz der Gemeinschaft, eine Art Klassensprecher auf Zeit. Ein halbes Jahr ist nicht viel und die Spanier hatten einen besonders schweren Start. Ihr Ministerpräsident war noch gar nicht im Amt. Pedro Sánchez musste noch gewählt werden mit den Stimmen der, aus der Sicht vieler Spanier, aufsässigen Katalanen.
Im Gegenzug sicherte er ihnen Straffreiheit zu. Das hat ihm der EU-Abgeordnete und CDU-Mitglied Daniel Caspary, sehr übelgenommen. Er schreibt zum Abschluss:
Leider wurde die spanische EU-Ratspräsidentschaft in diesem Halbjahr vom skrupellosen Machterhalt des Premierministers Pedro Sánchez und seiner Sozialisten überschattet. Mit der Amnestie der rechtsstaatlich verurteilten katalanischen Separatisten hat er die Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung und das Vertrauen in die Demokratie nachhaltig untergraben. Und zwar nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa.“
Lob von Parteigenossen
Nun gehört Caspary zu den Konservativen im Parlament und Sánchez ist Sozialist. Dementsprechend fällt die Bilanz der des SPD-Abgeordneten Jens Geier deutlich milder aus:
Der harte spanische Wahlkampf hat die Präsidentschaft nicht spürbar belastet. Im Europäischen Parlament haben spanische Abgeordnete zwar mit gegenseitigen Angriffen ihren Wahlkampf fortgesetzt, aber das war's dann auch.
Nun jedenfalls übernehmen die Belgier. Der belgische Premierminister Alexander de Croo, ein Liberaler, machte schon Appetit auf die nächsten sechs Monate: "Wir haben die Europäische Union in unserer DNA, die europäische Hauptstadt und viele Institutionen sind hier."
Belgier gelten als kompromissbereit
Das heißt aber auch, dass Politiker und Journalisten nicht weit reisen werden müssen. Nach Gent geht es mal, nach Limburg und Brügge zu den Ministertreffen. Belgien ist ein kleines Land mit elf Millionen Einwohnern. Mit bezaubernden Städten, köstliche Pralinen und Comics. Hier wurde Tim und Struppi erfunden, Lucky Luke und - die Schlümpfe.
Humor und Schokolade, beides kann bei einer EU-Ratspräsidentschaft hilfreich sein. Die Belgier sind es gewohnt Kompromisse zu machen. Geprägt vom Dauerstreit zwischen den (französischen) Wallonen und den (niederländischen) Flamen.
Die wären am liebsten eigenständig, wie die Katalanen. Premierminister de Croo ist es insofern gewohnt zu verhandeln. Er selbst steuert eine Regierung aus vier Parteien, gerne die "Vivaldi-Koalition" genannt, nach den vier Jahreszeiten. Jetzt also der Winter, am ersten Januar geht es los.
"150 Anträge liegen auf dem Tisch, das ist viel, aber wir Belgier sind gewohnt Überstunden zu machen und zu liefern", so der Belgier de Croo.
Einfluss durch Europawahl
Und eigentlich haben die Belgier gar kein ganzes halbes Jahr, denn im April beginnt der Wahlkampf für die Europawahl und ab dann werden ohnehin keine Entscheidungen mehr getroffen. Und über allen Plänen liegt die schwere Gegenwart.
Wie die Hilfen für die Ukraine sichern? Am ersten Februar gibt es dazu einen EU-Sondergipfel, dann muss erstmal der Ungar Vitor Orban überzeugt werden, mehr Geld für die Ukraine locker zu machen. Ungarn übernimmt dann übrigens nach Belgien die Ratspräsidentschaft.