Urteil zu straffälligen Geflüchteten Entzug des Aufenthaltsrechts nur bei konkreter Gefahr
Einem anerkannten Flüchtling kann wegen einer Straftat die Flüchtlingseigenschaft aberkannt werden. Der Europäische Gerichtshof legt die Hürde dafür aber hoch, wie drei Urteile zeigen.
Wird ein Geflüchteter straffällig, kann ihm das EU-Land, das ihn aufgenommen hat, die Flüchtlingseigenschaft aberkennen. So steht es im EU-Recht. Doch wie die Aberkennung im Einzelnen laufen muss, war bisher nicht festgelegt. Der Europäische Gerichtshof hat nun drei Fälle aus Österreich, Belgien und den Niederlanden entschieden.
Fallbeispiel aus Österreich
Bei dem Fall aus Österreich war ein Geflüchteter wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Drogendelikten verurteilt worden. Im EU-Recht steht, dass bei besonders schweren Straftaten der Flüchtlingsschutz entzogen werden kann.
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof stellte sich nun die Frage, ob die Verurteilung allein ausreicht oder ob noch in jedem Einzelfall abgewogen werden muss, wie gefährlich der straffällige Geflüchtete für die Allgemeinheit wirklich ist.
Entzug des Aufenthaltsrecht: Schwere Straftat reicht nicht aus
Der Europäischer Gerichtshof hat diese Frage nun entschieden. Er ist der Ansicht: Eine besonders schwere Straftat allein genüge nicht für den Entzug des geschützten Aufenthaltsrechts. Es müssten noch zwei Dinge hinzukommen.
Erstens müsse der straffällige Geflüchtete eine "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr" für die Allgemeinheit des betreffenden EU-Staates sein. Zweitens müsse es in jedem Einzelfall abgewogen werden. Und zwar zwischen dem öffentlichen Interesse am Schutz der Allgemeinheit und dem Interesse des Geflüchteten.
Keine Pflicht zur Aberkennung des Flüchtlingsstatus
Der EU-Staat muss dann auch prüfen, was zugunsten des Geflüchteten spricht. Beispielsweise, ob die Gefahr besteht, dass er wieder Straftaten begeht. Oder ob er an Resozialisierungsprogrammen teilnimmt und sich bemüht, in Zukunft nicht mehr kriminell zu werden.
Luxemburg betont in seinem Urteil auch: Es besteht keine Pflicht für die EU-Mitgliedstaaten, dass sie einem straffälligen Geflüchteten in jedem Fall seinen geschützten Flüchtlingsstatus aberkennen. Das liege in ihrem Ermessen.
Entzug des Schutzstatus: Keine automatische Abschiebung
Bei der heutigen Entscheidung aus Luxemburg geht es nur um den offiziellen Flüchtlingsstatus. Es geht dabei nicht um die Abschiebung.
Das heißt: Auch wenn einem Geflüchteten sein Schutzstatus und sein Aufenthaltstitel aberkannt werden sollte, bedeutet das noch nicht, dass er auch zwangsläufig abgeschoben wird. Beispielsweise wenn er zu Hause von Folter bedroht ist, darf er nicht zwangsweise dorthin abgeschoben werden. Und das gilt auch ganz klar für straffällige Geflüchtete.
Aktenzeichen: C-663/21 u.a.