EuGH-Urteil zu Flüchtlingen Auch Gewalttätige sind schutzwürdig
15 Tage lang kein Essen, kein Geld, kein Schlafplatz: Damit bestrafte der Leiter einer belgischen Flüchtlingsunterkunft einen Minderjährigen. Dieser hatte sich geprügelt. Die Strafe ist laut EuGH-Urteil unverhältnismäßig.
Auch gewalttätigen Flüchtlingen darf nicht jegliche Unterstützung für Unterkunft und Verpflegung entzogen werden. Auch wenn dies nur vorübergehend geschieht, verstößt es gegen die Grundrechtecharta der Europäischen Union.
Diese Entscheidung traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Aber Strafen bis hin zur Haft sind demnach ausdrücklich zulässig (Az: C-233/18).
Vor die Tür gesetzt
Im konkreten Fall geht es um einen minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan. Er wurde in Belgien in einem sogenannten Unterbringungszentrum aufgenommen. Dort beteiligte er sich an einer Schlägerei zwischen Bewohnern unterschiedlicher Herkunft.
Der Leiter der Einrichtung setzte ihn danach für 15 Tage vor die Tür und gewährte auch keine anderweitige materielle Hilfe. Der Minderjährige bekam lediglich eine Liste mit Obdachlosenunterkünften, verbrachte die 15 Tage aber nach eigenen Angaben in einem Brüsseler Park oder bei Freunden. Gleichzeitig klagte er vor einem belgischen Gericht gegen den Ausschluss von der Flüchtlingsunterkunft.
Strafen zulässig, aber verhältnismäßig
Das zuständige Gericht fragte den EuGH, ob eine solch scharfe Sanktion mit EU-Recht vereinbar sei. Der EuGH betonte, dass die Richtlinie über die Unterbringung von Flüchtlingen Strafen ausdrücklich zulässt.
Allerdings müssten solche Sanktionen verhältnismäßig sein. Die "elementarsten Bedürfnisse" und ein "würdiger Lebensstandard" müssten "dauerhaft und ohne Unterbrechung" gewährleistet bleiben. Dafür reiche eine Liste mit privaten Obdachlosenunterkünften nicht aus.
Minderjährige "besonders schutzwürdig"
Das gelte allemal für Minderjährige, betonten die Luxemburger Richter. Diese seien "besonders schutzwürdig". Nach der EU-Grundrechtecharta müsse daher auch eine Entscheidung über Strafsanktionen "unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls ergehen".
Als mögliche Sanktionen nannte der EuGH die Unterbringung in einem besonderen Teil der Flüchtlingseinrichtung oder auch Haft. Minderjährige könnten auch der Obhut des Jugendschutzes übergeben werden.