Präsident rechnet mit Antrag Finnland schon bald NATO-Mitglied?
Jahrzehntelang wahrte Finnland seine Neutralität - seit dem Ukraine-Krieg aber ist eine Mehrheit für einen NATO-Beitritt. Heute ist Bundespräsident Steinmeier zu Besuch - auch, um Unterstützung dafür zu signalisieren.
Finnland steht nach Einschätzung seines Präsidenten Sauli Niinistö vor einem NATO-Mitgliedschaftsantrag. Er rechne mit einer "gewaltigen parlamentarischen Mehrheit" für einen entsprechenden Beitrittsantrag, sagte Niinistö der "Süddeutschen Zeitung". Im Falle eines Antrags gehe er von einer "zügigen" Entscheidung aus.
Finnland ist EU-, aber kein NATO-Mitglied. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Debatte über einen möglichen Beitritt neu entfacht. Traditionell standen die meisten Finnen einem NATO-Beitritt skeptisch gegenüber - jüngste Umfragen zeigten jedoch erstmals eine Mehrheit dafür. Zuletzt hatten sich in Umfragen des öffentlich-rechtlichen Senders YLE mehr als 60 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen. Finnland hat eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland und blickt wie das Nachbarland Schweden auf eine lange Tradition der Bündnisfreiheit zurück.
Präsident Niinistö (rechts) geht von einem raschen NATO-Beitritt seines Landes aus.
Entscheidung über Beitrittsantrag vor Juni
Die Entscheidung über einen Beitrittsantrag soll der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin zufolge noch vor dem NATO-Gipfel in Madrid im Juni fallen. Das Parlament in Helsinki soll nach Ostern zu Beratungen über das Thema zusammentreten.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte am vergangenen Mittwoch Finnland und Schweden ermuntert, die Aufnahme zu beantragen. Er stellte eine zügige positive Antwort in Aussicht.
Steinmeier will über den russischen Angriff reden
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will bei seinem heutigen Finnland-Besuch signalisieren, dass Deutschland einen NATO-Beitritt Finnlands unterstützte. Im Mittelpunkt der Reise stehen nach Angaben des Bundespräsidialamts "die Auswirkungen des brutalen russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf die europäischen Nachbarländer".
Steinmeier trifft sich am Vormittag mit Niinistö. Die beiden Staatsoberhäupter wollen später im finnischen Parlament auch eine Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj anhören. Geplant ist außerdem ein Treffen mit Ministerpräsidentin Marin.
Ebenfalls mit der Aggression Russlands hat ein Besuch Steinmeiers im Europäischen Exzellenzzentrum für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen zu tun. Dieses ist eine von 31 Mitgliedsstaaten von EU und NATO getragene Einrichtung, die seit 2017 Analyse und Beratung zur Bekämpfung beispielsweise von Cyberattacken, Desinformationskampagnen oder der Einflussnahme auf Wahlen leistet.
Der eintägige Besuch ist die erste Auslandsreise des Bundespräsidenten in seiner zweiten Amtszeit. Eigentlich wollte er diese nach Polen unternehmen, um die Verbundenheit mit dem Nachbarn zu unterstreichen und diesem für die große Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge zu danken. Dies verhinderte allerdings Steinmeiers Corona-Infektion. Er will die Reise am Dienstag nachholen.