Frankreich vor Neuwahlen Chef der Konservativen will Allianz mit Rechten
Frankreichs Konservative stehen vor einer Zerreißprobe. Die zentrale Frage: Sollen sie ein Wahlbündnis mit dem extrem rechten Rassemblement National eingehen? Parteichef Ciotti sagt "ja" - und sorgt damit für Entsetzen.
Es gehe um mehr als um die Partei - so sieht es Éric Ciotti. Es sei notwendig, dem Land zu dienen, das in Gefahr sei, sagte der Parteichef der konservativen Républicains dem Fernsehsender TF1. Mit Blick auf die Parlamentsneuwahlen bedeute das eine Allianz mit dem Rassemblement National und dessen Kandidaten.
"Eine Allianz des rechten politischen Spektrums - für alle, die sich in den Ideen und Werten der Rechten wiederfinden", sagte Ciotti. "Ich glaube, das Land stand noch nie so weit rechts, es erwartet entsprechendes Handeln. Schluss mit diesen fiktiven und ein bisschen künstlichen Gegensätzen, machen wir uns an die Arbeit, um das Land wieder aufzurichten."
Fast 40 Prozent für extrem rechte Parteien
Zählt man die Stimmen zusammen, die der extrem rechte Rassemblement National und die rechtsnationale Partei Reconquête bei der Europawahl am Sonntag geholt haben, kommt man auf fast 40 Prozent. Ciotti sieht das Wahlergebnis als eine politische Realität, der sich die Konservativen anpassen müssten. Der geschichtsträchtige sogenannte "cordon sanitaire" ist für ihn nicht mehr zeitgemäß.
Jacques Chirac hatte den Begriff "cordon sanitaire" in den 1980er-Jahren geprägt und damit jede Zusammenarbeit mit der extremen Rechten - die damals noch "Front National" hieß - ausgeschlossen.
Viele Konservative reagieren entsetzt
Noch am Morgen hatte auch Xavier Betrand, Präsident der Region Hauts-de-France, betont: "Niemals die Extreme, niemals der Front National, niemals Marine Le Pen." Entsprechend entsetzt reagierten viele Konservative auf Ciottis Ankündigung. Philippe Gosselin zum Beispiel. Er sitzt seit 2007 für die Konservativen in der Nationalversammlung.
Gosselin sagte dem Radiosender France Info: "Eric Ciotti spricht nur für sich! Er hat diese Entscheidung allein getroffen - genau wie der Präsident, als der das Parlament aufgelöst hat. Ciotti spricht von jetzt an nicht mehr für die Républicains. Ich fordere ihn auf, als Parteichef zurückzutreten. Das ist ein Gewaltstreich, ein moralischer und politischer Bruch!"
Le Pen spricht von einer "mutigen Wahl"
Bei der Europawahl am Sonntag hatten die Konservativen gut sieben Prozent der Stimmen geholt. Und Parteichef Ciotti sieht in der Zusammenarbeit mit der extremen Rechten offenbar einen möglichen Ausweg aus der drohenden politischen Bedeutungslosigkeit. Dafür nimmt er in Kauf, seine Partei zu spalten - und bricht mit einem jahrzehntelangen politischen Tabu in Frankreich.
Marine Le Pen, Fraktionschefin des Rassemblement National im französischen Parlament, nennt das eine "mutige Wahl". Nach Ciottis Aussagen erteilte der Rassemblement National am Nachmittag außerdem der rechtsnationalen Partei Reconquête eine Absage, was eine Zusammenarbeit bei den Parlamentswahlen angeht.