Macrons Rentenreform Wie geht es nun weiter in Frankreich?
Am Abend gab es in mehreren Städten erneut gewaltsame Demonstrationen gegen die Rentenreform in Frankreich. Auch in den kommenden Tagen sind Proteste angekündigt. Wie geht es nun weiter in dem Land?
Wie ging der gestrige Tag aus?
Landesweit wurde demonstriert, etwa in Strasbourg, Lille oder Evreux. Überall gab es "actions flash" - also Spontanaktionen wie in Bordeaux oder Toulon, wo Gewerkschafter Gleise besetzten und den Zugverkehr lahmlegten. Gerufen wurde: "Die Wut wächst!"
In Paris wurde die Umgehungsschnellstraße, die Périphérique, besetzt, mitten in der Rush Hour. Und die Autofahrer reagierten gar nicht genervt, sondern hoben noch die Fäuste und zeigten ihre Zustimmung zu den Protesten. Denn acht von 10 Franzosen und Französinnen auf dem Arbeitsmarkt wollen die Reform nicht und auch nicht, dass sie mit dem Artikel 49.3 ohne Votum durch das Parlament gedrückt wird.
In Lyon wird die Oper bestreikt, Raffinerien und Müllverbrennungsanlagen werden blockiert. In Paris versammelten sich wieder Tausende vor allem junger Leute auf dem größten Platz der Stadt - dem Place de la Concorde, was ja "Eintracht" heißt. Aber davon ist Frankreich weit entfernt. Es gab über 60 Festnahmen, nachdem Projektile und Flaschen flogen und Pappen angezündet wurden. Die hoch aufgerüsteten Sicherheitskräfte setzen Wasserwerfer ein.
Die Demonstrierenden haben angekündigt, jetzt jeden Tag auf den Concorde-Platz kommen zu wollen, bis die Rentenreform Geschichte ist.
Was bringt das Wochenende?
Das Wochenende wird viele spontane lokale Protestaktionen bringen. Dazu haben die Gewerkschaften unisono aufgerufen. Mancherorts kann es radikaler zugehen. Viele Berufssparten haben ihre Streiks verlängert: die Müllmänner in Paris, Eisenbahner, Raffineriearbeiter. Wieder werden Züge ausfallen und auch Flüge.
Der Innenminister hat bereits angeordnet, für die Abgeordneten der Nationalversammlung die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. Denn manche Aktion richtet sich direkt gegen Befürworter der Reform, in deren Heimatorten teilweise der Strom abgeschaltet worden ist.
Auf der offiziellen Seite von Emmanuel Macron steht: Die Agenda des Präsidenten für die nächsten Tage sei noch nicht verfügbar. Bei seiner Regierungschefin Elisabeth Borne liest man nur, sie treffe sich am Samstagnachmittag mit jungen Menschen, es soll um Chancengleichheit gehen.
Wie geht es nächste Woche weiter?
In Frankreich stellt man sich die Frage, ob die Regierung gestürzt wird - und zwar am Montag. Dann soll das Parlament ab 16 Uhr über zwei Misstrauensanträge abstimmen. Den einen hat der rechte Rassemblement National von Marine Le Pen eingebracht. Den anderen ein Zusammenschluss aus fünf Parteien von der liberalen Mitte bis nach weit links.
Dieser parteienübergreifende Antrag hat größere Chancen. Käme er durch, müsste die Regierung von Elisabeth Borne zurücktreten. Das Gesetz über die Rentenreform wäre dann abgelehnt. Aber rein rechnerisch wird das schwierig. Denn ein Misstrauensvotum geht nur mit 287 Ja-Stimmen durch. Das heißt, jeder und jede einzelne Abgeordnete der Opposition müssten dafür stimmen, aber auch ungefähr die Hälfte der rund 60 konservativen Les Républicains. Und so viele Abweichler von der Parteilinie wird es wohl nicht geben.
Offiziell soll kein Républicain der Regierung das Misstrauen auszusprechen. Die Frage ist natürlich, ob es im Präsidentenlager selbst Abweichler gibt, dann könnte es doch noch eng werden.
Für Donnerstag haben die Gewerkschaften dann den neunten Nationalen Protesttag angekündigt. Macht der noch Sinn, wenn die Reform dann durch sein sollte? Ja, sagen viele. Sie haben im Kopf, dass die Regierung 2006 ein bereits in Kraft getretenes Arbeitsmarktgesetz nach zwei Monaten Dauerprotest zurücknehmen musste.